Hetzende Fürsten – 'Wider Hans Worst'

Stefan Beckert: Kat. Nr. 54–59

Ein „Hans Worst“, so schrieb Martin Luther 1541, sei ein grober Tölpel, der vorgibt, klug zu sein, aber eigentlich nur unwissend daherrede. Der Wittenberger Reformator widmete dieser Beleidigung ein ganzes Werk, das den pointierten Titel Wider Hans Worst trägt.

Damit beteiligte sich Luther an einer Streitschriftenfehde zwischen den Hauptmännern zweier befeindeter Militärbündnisse: auf der einen Seite die Protestanten Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen (Schmalkaldischer Bund), denen das katholische Lager unter Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (Nürnberger Bund) gegenüberstand (Stopp 1970: 203).

Seit 1539 warfen sich die Parteien im Rahmen ausufernder juristischer Streitschriften wechselseitig vor, gegen die Regeln der Adelsgesellschaft verstoßen zu haben und einen Religionskrieg vorzubereiten. Auf dem Reichstag zu Regensburg (1541) verbreiteten die Kontrahenten ihre wechselseitigen Vorwürfe dann in satirischer Form und in diffamierenden Schmähschriften. Ziel der Schmalkaldischen Bundeshauptleute war es, Heinrich vor den versammelten Fürsten des Reiches bloßzustellen, von seinen Verbündeten zu trennen und damit einen bereits geplanten Krieg gegen den Herzog legitimatorisch vorzubereiten (Bruns 1889: 89–92). Der sächsische Kurfürst beauftragte Martin Luther, gegen Herzog Heinrich zu schreiben. Luther, selbst erbost über die Gerüchte, Herzog Heinrich beauftrage Brandstiftungen gegen protestantische Städte (Edwards 1983: 145–147), griff eine Passage aus der herzoglichen Streitschrift Duplicae (1540) (Kat. Nr. 54) auf. Hier behauptete Heinrich, Luther habe seinen Landesherren, den Kurfürsten Johann Friedrich, einen „Hans Wurst“ genannt (Kat. Nr. 55).

Luthers Schmähschrift Wider Hans Worst (Kat. Nr. 56) enthält mehr Beleidigungen als Seiten und wurde gleich zu Beginn des Reichstages im April 1541 in Regensburg verbreitet (Kuhaupt 1998: 286). Herzog Heinrich wird darin zum Hans Worst und Heintz Mordbrenner (Kat. Nr. 57), der im Bund mit Teufel und Papst die deutschen Protestanten mit Feuer und Schwert bekämpft. Luther rief dazu auf, die Schmähungen gegen den Herzog öffentlich zu verbreiten, von den Kanzeln der Kirchen zu rufen und vor dem katholischen Fürsten auszuspucken.

Die reformatorischen Druckerzentren, allen voran Wittenberg und Magdeburg, griffen bereitwillig diese Schmähungen auf. So stehen etwa die Zween Sendbrieff an Hansen Worst (1541) (Kat. Nr. 58), ebenfalls auf dem Regensburger Reichstag in Umlauf gebracht, beispielhaft für die vielen satirischen Schriften der Folgezeit. Als besondere Spitze gegen den Herzog wird auf dem Titelblatt der Zween Sendbrieff als fingierter Druckort Wolfenbüttel genannt; demnach wäre die Schmähschrift gegen den Herzog in dessen eigener Hofdruckerei erschienen. Beliebte Beschimpfungen des angeblichen Kriegstreibers Heinrich waren weiterhin „Scharrhans“ oder „deudscher Türck“.

Dass diese Beleidigungen wirkten, zeichnet sich an der Eroberung Wolfenbüttels ab (Kat. Nr. 59). Im Sommer 1542 nahm der Schmalkaldische Bund die Festung des geschmähten Herzogs ein. Keiner der katholischen Fürsten, noch nicht einmal sein eigenes Militärbündnis, unterstützten ihn (Petri 1981: 145–146).

Literatur

Friedrich Bruns: Die Vertreibung Herzog Heinrichs von Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund – 1. Teil: Vorgeschichte, Marburg 1889. 

Mark Edwards: Luther’s Last Battles. Politics and Polemics 1531–1546, Ithaca 1983.

Georg Kuhaupt: Veröffentlichte Kirchenpolitik. Kirche im publizistischen Streit zur Zeit der Religionsgespräche (1538–1541), Göttingen 1998.

Franz Petri: Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel. Ein niederdeutscher Territorialfürst im Zeitalter Luthers und Karls V, in: Archiv für Reformationsgeschichte 72 (1981), S. 122–57.

Frederick John Stopp: Henry the Younger of Brunswick-Wolfenbüttel. Wild Man and Werwolf in Religious Polemics 1538–1544, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 33 (1970), S. 200–234.