Stammbücher
„Das kannst du dir ins Stammbuch schreiben!“,
eine umgangssprachliche Redewendung, wenn man jemandem einen guten Rat, eine Wertvorstellung oder eine Lebensweisheit mit auf den Weg geben möchte. Die Redensart geht auf den Brauch zurück, Familienangehörige, Freunde oder Bekannte um einen Eintrag oder eine Widmung in ein Stammbuch, später auch Poesiealbum genannt, zu bitten. Stammbücher wurden etwa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts geführt und waren anfangs in Gelehrtenkreisen, im Adel, später aber auch im bürgerlichen Umfeld weit verbreitet.
Mit aktuell über 420 Stammbüchern mit Entstehungszeiten vom 16. bis zum 20. Jahrhundert gehört der Bestand der SLUB heute zu den bedeutendsten Sammlungen dieses spezifischen Genres im deutschsprachigen Raum.
Entsprechend dem Beginn der Sammeltätigkeit stammt der größte Teil des Bestandes aus dem 18. und 19. Jahrhunderts. Allerdings finden sich auch frühe Exemplare aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die verschiedenen Facetten der Stammbuchkultur sind darin in inhaltlicher, formaler und soziologischer Art breit vertreten. Somit kommt dem Dresdner Bestand ein ausgesprochen repräsentativer Charakter zu.
Aus der beachtlichen Zahl singulärer Spitzenstücke sind beispielhaft jene mit Eintragungen, Illustrationen und Beigaben bedeutender Persönlichkeiten hervorzuheben:
Im Stammbuch von Caroline Cäcilie Carus, der Mediziner Carl Gustav Carus (1789-1869).
Im Schumann-Album Blatt 57, der Schriftsteller Joseph v. Eichendorff (1788-1857), der Musiker Friedrich Wieck (1785-1873) auf Blatt 322 und Blatt 323 sowie der Schriftsteller Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) auf Blatt 94.
Im Stammbuch Koechlys, der Theologe August Hermann Francke (1663-1727).
Im Stammbuch Weiße, der Maler Anton Graff (1736-1813).
Auf einem Stammbuchblatt für Tina v. Brühl, der Schriftsteller Friedrich Kind (1768-1843).
Im Stammbuch von Friedrich Christian Boerner, der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716).
Im Stammbuch Tenner, der Reformator Philipp Melanchthon (1497-1560).
Auf einem Stammbuchblatt von Detlev Graf v. Einsiedel und im Stammbuch Weiße, der Schriftsteller Novalis (1772-1801).
Im Stammbuch Jacob Klingesporn, der Dichter Martin Opitz (1597-1639).
Im Stammbuch Conrad Ernst v. Berlepsch und im Stammbuch Elias Walther, der Komponist Heinrich Schütz (1585-1672).
Perk Loesch: Der Freundschaft Denkmal. Stammbücher und Poesiealben aus fünf Jahrhunderten im Bestand der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Dresden 2003 (digital: http://digital.slub-dresden.de/id476780942)