Schmähung – Provokation – Stigma. Medien und Formen der Herabsetzung

Schmähungen und Herabsetzungen in Form von Shitstorms, populistischen Twitter-Nachrichten und Internet-Kommentaren scheinen derzeit allgegenwärtig: Sie stacheln an, hetzen auf, provozieren, diskreditieren, grenzen aus und stigmatisieren. Häufig werden sie als Symptome einer verrohten Gesellschaft beschrieben. Phänomene der Herabwürdigung lassen sich jedoch nicht auf die Gegenwart begrenzen. Es hat sie zu allen Zeiten und in allen Kulturen gegeben. Sie waren und sind von den jeweiligen sozialen, politischen, ökonomischen und medialen Kontexten geprägt, auf die sie ihrerseits zurückwirken.

Der Oberbegriff, der die verschiedenen Formen von Abwertung und Ausgrenzung als ein grundlegendes Phänomen menschlicher Kommunikation kennzeichnet, ist Invektivität. Sie leitet sich ab von der antiken Schmährede (invectiva oratio), bezeichnet aber ein sehr viel breiteres Arsenal von herabsetzenden Stereotypisierungen, Stigmatisierungen, Beleidigungen und Ausgrenzungen.

Diese können sich in spontanen Akten ebenso wie in literarischen und bildlichen Formen entfalten. Medien vergrößern ihre Reichweite und binden sie an etablierte kommunikative Muster. Derartige Konventionen und Gattungen bilden den Rahmen, der das subjektive Erleben von Schmähung und Herabsetzung steuert. Denn Invektivität kennt viele Gesichter: Sie kann kränkend, verletzend, belustigend, ernsthaft, mal demonstrativ und mal erschreckend unauffällig sein. Sie hat destruktive und produktive Facetten, kann ebenso gemeinschaftsstiftend wie -zerstörend wirken.

In diesem Sinne will die Ausstellung anhand der Sektionen Stereotype & Stigmata, Kunst & Provokation, Schmähgemeinschaften & Feindbilder sowie Resonanz & Deutungskampf einen Eindruck von Formen und Medien des Invektiven vermitteln. Zu diesem Zweck zeigt sie antike Schmähreden und Flugschriften der Reformationszeit ebenso wie Wahlplakate der Weimarer Republik und aktuelle Satiren. Was dabei je als invektiv erfahren wird, was als beleidigend, was als herabsetzend und was als harmlos oder belustigend, liegt im Auge der Betrachter*innen.