Dresdner Corvinen
Der ungarische König Matthias Corvinus (reg. 1458-1490) besaß eine der größten und bedeutendsten Büchersammlungen der Renaissance. Im Jahr 2005 hat die UNESCO die noch weltweit 216 erhaltenen Corvinen aus 52 öffentlichen und privaten Sammlungen zum Weltdokumentenerbe erklärt. Dazu zählen auch zwei Handschriften in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden.
Dabei handelt sich um das kriegstechnische Kompendium „De re militari“, das der aus Rimini stammende Ingenieur Robertus Valturius (1405-1475) für Sigismondo Malatesta verfasste (Mscr.Dresd.R.28.m), und um Marcus Tullius Ciceros „Epistulae ad familiares“ (Mscr.Dresd.Dc.115).
Beide Handschriften gelangten im 18. Jahrhundert in die Kurfürstliche Bibliothek zu Dresden.
Die Valturius-Handschrift brachte der sächsische Kurprinz Friedrich Christian von einer Italienreise 1740 nach Dresden mit. Der Bibliothekar Johann Christian Götze hob den Kodex im ersten Band seiner “Merckwürdigkeiten der Königlichen Bibliothec zu Dresden” 1743 als ungemein kostbar und prächtig hervor. Die Handschrift auf 231 Pergamentblättern mit den Maßen 365 x 260 mm wurde zwischen 1476 und 1484 in Neapel nach dem im Jahr 1472 in Verona erschienenen Erstdruck des Werkes kopiert. Die rund 100 im Druck als schlichte Umrissholzschnitte wiedergegebenen Illustrationen von Waffen, Werkzeugen und Maschinen für den Krieg zu Lande und zu Wasser wurden in der Handschrift als prächtig gerahmte Miniaturen in Deckfarben und Gold ausgeführt.
Während die Valturius-Handschrift im 17. Jahrhundert neu in Schweinsleder gebunden wurde, besitzt die um 1460/70 ebenfalls in Italien gefertigte Cicero-Handschrift noch den originalen, in einer Budaer Werkstatt hergestellten Flechtwerkeinband (260 x 180 mm) aus rotbraunem Maroquin über Holzdeckeln mit Blinddruck und Handvergoldung.. Er trägt auf Vorder- und Hinterdeckel im Zentrum das königliche Wappen des Matthias Corvinus und typischerweise am oberen Rand des Hinterdeckels den Werktitel „CICERO AD LENTVLVM“. Traugott Friedrich Alexander Benedict würdigte im Vorwort zu seiner Edition der Cicero-Briefe (Leipzig 1790/1795) die philologische Bedeutung dieser Handschrift.
Beide Kodizes wurden bei den Bombenangriffen auf Dresden 1945 im Tiefkeller des Japanischen Palais durch eingedrungenes Wasser und nachfolgende mikrobiologische Prozesse schwerst geschädigt: Das Pergament verhärtete und verformte sich und zerfiel teilweise, Schrift und Farben wurden zum Teil ausgewaschen und drückten sich auf den Gegenseiten ab.
In der Restaurierungswerkstatt der SLUB begann die Konservierung und Restaurierung der Valturius-Handschrift 1993 bis 1997, die Wiederaufnahme und Fertigstellung der Restaurierung erfolgte 2006 bis 2017 nach neuesten kunsttechnologischen und materialwissenschaftlichen Methoden. Indem man sich den starken Klimareflex des hygroskopischen Pergaments zunutze machte, wurden die deformierten 116 Doppelblätter in einer Klimakammer bei 20 °C und 95 % relativer Feuchtigkeit konditioniert, um diese anschließend weiterbearbeiten zu können. Dazu zählten das Ablösen und Zuordnen von Fragmenten, die Festigung der Farbmittel, das Ergänzen der Fehlstellen mit einer Pergamentsuspension und das mehrmonatige kontrollierte Glätten und Trocknen. Die Doppelblätter werden nunmehr ungebunden aufbewahrt und sind in den Digitalen Sammlungen der SLUB online zugänglich.