Die Dresdner Mayahandschrift

Codex Dresdensis

Yukatan. – 13. Jh.

Digitalisat

Provenienz: bisher unbekannt; 1739 vom Bibliothekar Johann Christian Götze in Wien erworben

Der Codex besteht aus 39 doppelseitig beschriebenen Blättern mit einer Gesamtlänge von 3,56 m und war ursprünglich als Leporello gefaltet. Beschreibstoff ist Amate, ein aus Bastfasern des Feigenbaums durch Weichen und Schlagen gefilztes Material, dessen Oberfläche mit Kreide grundiert wurde.

Der mit Hieroglyphen, Zahlzeichen und Bildern beschriebene bzw. bemalte Codex enthält Ritual- und Weissagungskalender, Berechnungen über Sternkonstellationen, Mond- und Sonnenfinsternisse, Wetter- und Erntevoraussagen. Von den insgesamt etwa 350 unterschiedlichen Schriftzeichen im Dresdner Codex konnten bis heute etwa 250 entziffert werden.

Johann Christian Goetze: Bücher so von mir auff die Königl. Bibliothec gelieffert worden im Jan. 1740

Signatur: Bibl.Arch.I.A,Vol.2,Nr.10

Digitalisat 

Im Auftrag des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. (zugleich August III., König von Polen) reiste der Bibliothekar und Hofkaplan Götze (1692–1749) 1739 nach Wien und Rom, um antiquarische Bücher und Handschriften zu erwerben. Als er nach seiner Rückkehr zu Beginn des Jahres 1740 eine eigenhändige Übersicht der mitgebrachten Bände anfertigte, notierte er am Schluss unter der Nummer 300:

Ein unschätzbares Mexicanisches Buch mit Hieroglyphischen Figuren

Es ist der erste Nachweis der Maya-Handschrift in Dresden.

Johann Christian Götze: Die Merckwürdigkeiten der Königlichen Bibliotheck zu Dreßden

Sammlung 1. – Dresden: G. C. Walther, 1743.

Signatur: 23.8.2389

Als Götze wenige Jahre nach der Ankunft des Codex die „Merckwürdigkeiten“ veröffentlichte, nannte er an erster Stelle die Maya-Handschrift, die er damals als „Mexicanisches Buch mit unbekannten Charactern und Hieroglyphischen Figuren auf beyden Seiten beschrieben, und mit allerhand Farben bemahlet …“ charakterisierte.

Über deren letzten Besitzer findet sich nur die unpräzise Bemerkung:

Man hat ihn vor wenig Jahren bey einer Privat-Person in Wien gefunden, und als eine unbekannte Sache gar leicht umsonst erhalten.

Ernst Wilhelm Förstemann: Brief aus Dresden vom 20.7.1886 an Paul Schellhas

Signatur: Mscr.Dresd.e.200,VII

Digitalisat

Provenienz: Erworben aus Förstemanns Nachlass 1907.

Dem Direktor der Königlichen Öffentlichen Bibliothek zu Dresden und anerkannten Germanisten Förstemann (1822–1906) ist außer zahlreichen Arbeiten über die Dresdner Maya-Handschrift die erste Faksimile-Ausgabe des Codex Dresdensis, erschienen 1880, zu verdanken. Viele Briefe an Schellhas enthalten äußerst exakte Abzeichnungen von Schriftpartien des Dresdner Originals.

Förstemann ordnet hier die Symbole den einzelnen Blättern zu und erläutert diese:

Wir sehen in 2 die Sonne, in 7 den Mond, in 4 einen fortrückenden Stern und in 7 vielleicht die Milchstraße …

Ernst Wilhelm Förstemann: Commentar zur Mayahandschrift der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden

Dresden: Bertling, 1901.

Signatur: Mscr.Dresd.App.7

Provenienz: Erworben aus Förstemanns Nachlass 1907.

Digitalisat

In seinem Korrekturexemplar vermutet Förstemann in einer handschriftlichen Notiz gegenüber dem Titelblat

daß der Codex Dresdensis aus dem Besitz des Francisco de los Cobos (gest. 1547), des Staatssekretärs und Schatzmeisters Kaiser Karls V. stamme und von diesem Paulus Jovius, dem Bischof von Nucerino, geschenkt worden sei.“ (Deckert 1962)

Förstemanns Quelle ist ein Bericht in Paolo Giovios (1483–1552) „Historiae sui temporis“ (veröffentlicht 1561).

Paul Schellhas: Die Göttergestalten der Mayahandschriften

Dresden: Bertling, 1897.

Signatur: Hist.Amer.1668.m

Der spätere Landgerichtsrat Schellhas (1859–1945) stand in engem Kontakt mit Förstemann. Obgleich fachfremd, trugen ihrer beiden Erkenntnisse zu entscheidenden Fortschritten bei der Entzifferung der Dresdner Maya-Handschrift bei. Während Schellhas 30 Maya-Götter und ihre Namenshieroglyphen identifizierte, gelang Förstemann unter Heranziehung der Aufzeichnungen des Missionars Diego de Landa aus dem Jahr 1566 die Entzifferung der astronomischen Berechnungen und des Maya-Kalenders sowie die Entdeckung der Zeitrechnung der Maya.