Die Karikatur als Mittel der Auseinandersetzung

Luther und seine Mitstreiter gingen im Streit mit den Vertretern der Kirche nicht zimperlich um. Drastische Ausdrücke kennzeichnen diese polemischen Schriften. Ihnen sind Karikaturen beigegeben, die den Texten um nichts nachstehen.
Die Gegenseite verhielt sich nicht weniger zurückhaltend und schlugt mit dem gleichen Arsenal an Worten und Bildern zurück.

Papstesel und Mönchskalb

Philipp Melanchthon, Martin Luther: Deuttung der czwo grewlichẽ Figuren Bapstesels czu Rom vnd Munchkalbs zu Freyberg ynn Meysszen funden. Wittemberg: [Johann Rhau-Grunenberg], 1523. Signatur: Hist.eccl.E.322,34
Maße: 21 x 32 (aufgeschlagen)
Digitalisat
in der Deutschen Fotothek.

Der Papstesel

Lucas Cranach d.Ä. verwendete für diesen Holzschnitt als Vorlage einen Kupferstich von Wenzel von Olmütz. Die polemische Schrift gehört zu den erfolgreichsten ihres Genres. Die Gestalt geht auf eine "grewlich figur" zurück, die man 1496 angeblich aus dem Tiber gefischt hatte:

„[…] Vnd newlich diße grewlich figur / der Bapstesel / welche zu Rom in der Tyber todt finden ist / jm M.CCC.rcvj-jar / Vnd also eygentlich alles weße[s] Bepstliches reichs abmalet vnd furbildet / das nicht muglich were eynigen menschenn solchs zuertichten / Sondern man sagen muß / das got selb disen grewel also abcontrofeyt habe.“

 

Gestalterische Merkmale:

 Der Eselskopf versinnbildlicht den Papst. Er passt mit seinem Menschlichen Körper (der Kirche) nicht zusammen.

 

Die Fischschuppen symbolisieren die Anbiederung der Könige und Fürsten gegenüber dem Papst; Brüste und Bauch die wollüstige Lebensweise und damit die Dekadenz der Papstkirche.

 

 Die Hand steht für das menschliche Geschick desd Papstes, im Pakt mit dem Teufel die weltlichen Herrscher an sich zu binden. Der Elefantenhuf hingegen zermalmt das Gewissen und die Seelen der Christen.

 

 Der Papstesel hat weiterhin ein altes Gesicht am Hinterteil, welches auf das Ende des Papsttums verweist und sich zusammen mit dem Drachen mit Bullen und Schmähschriften vergeblich dagegen wehrt.

 

Die Füße bestehen aus einem Ochsenfuß und einer Greifenkralle. Sie stehen für päpstliche und weltliche Diener, die gemeinsam die Herrschaft des Papstes über ganz Europa festigen. 

 

 

Das Mönchskalb

Die Abbildung des Mönchkalbs geht auf eine Missgeburt in Freiberg (Sachsen) zurück. Luther drückte damit seine Kritik an den geistlichen Orden aus. Dabei war für ihn der unbedeckte Bauch der Ausdruck für Diesseitigkeit und Völlerei. Den Abgrund, welcher zwischen dem eigenen Anspruch und der öffentlichen Wahrnehmung klaffte, sah er auch in der verbürgten Blindheit der Missgeburt.
Über der ‚Halskragen‘ hielt Luther fest:

„Das die kutten umb den hals so hart gewunnden ist / zaygt jren halßstarrigen verstockten syn(n) inn irer münicherey und hailigen wesen.“

Die Wittenbergisch Nachtigall

Hans Sachs: Die Wittenbergisch Nachtigall / Die mann yetzt höret vberal. Eylenburgk: Widemar, [1523]. Signatur: Hist.eccl.E.345,10
Maße: 19 x 15 cm
Digitalisat
in der Detschen Fotothek.

Die „Wittenbergisch Nachtigall“ markiert den Beginn des dichterischen Erfolges von Hans Sachs. Der Titelholzschnitt eines unbekannten Meisters zeigt die Nachtigall (Martin Luther), deren Gesang unüberhörbar über Luthers Feinde, die als Tiere dargestellt werden, ertönt.
Quelle: Luthermania, S. 297

 

 

Das Figureninventar:

 

 

 



Der Höllenschlund

Martin Luther: Wider das Bapstum zu Rom vom Teuffel gestifft. Wittemberg: Hans Lufft, 1545. Signatur: Hist.eccl.E.304,8
Maße: 17,5, x 14 cm
Digitalisat
in der Deutschen Fotothek.

Luthers Streitschrift erschien anlässlich des Trienter Konzils, das durch Papst Paul III. einberufen wurde und sich mit der Reformation auseinandersetzen sollte. Für das Titelblatt verwendete er einen Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä., der den Papst zeigt, der in einem Höllenschlund hinabfährt. Er sitzt auf einem Stuhl, der auf einem brennenden Gerüst steht und von Ungeheuern davon abgehalten wird, zusammenzubrechen. Der Papst hat Eselsohren, zwei Höllenwesen setzen ihm seine Tiara (= Papstkrone) auf, die statt eines Kreuzes mit einem Kothaufen versehen ist.

Der zweiköpfige Luther

Cochlaeus, Johannes: Dialogus de bello contra Turcas in Antilogias Lutheri. Lipsiae: Schumann, 1529. Signatur: 38.8.1584,angeb.3
Maße: 16 x 24 cm (aufgeschlagen)
Digitalisat
in der Deutschen Fotothek.

Cochlaeus war einer der schärfsten Kritiker Luthers und griff diesen in der vorliegenden Schrift wegen seiner Zürückhaltung gegenüber der drohenden Gefahr durch die Türken an. Der Holzschnitt stammt von Hans Brosamer. Die beiden Köpfe sind:

„Palinodus“  (griech. Widerruf) = Widersprüchlichkeit Luthers nicht nur im Bezug auf den Türkenkrieg.

Aufrührer (lat.seditiosus) mit Schriftrolle und Keule

 

Der siebenköpfige Luther

Johannes Cochlaeus: Sieben kopffe Martin Luthers, von sieben sachen des Christlichen Glaubens. [Dresden: Wolfgang Stöckel], 1529. Signatur: Hist.eccl.E.247,5
Maße: 20 x 15 cm
Digitalisat
in der Deutschen Fotothek.

Köpfe (von links nach rechts):

Doctor als Wissenschaftler

Martin als Heiliger

Luther mit Turban als Feind der Kirche

Ecclesiast mit Birett (Kopfbedeckung eines Geistlichen)

Swermer: Bienen, die seinen Kopf umschwärmen

Visitirer zum Hohn mit Papsthut

Barrabas als Räuber mit Keule

Bereits auf dem Titelblatt (Holzschnitt von Hans Brosamer) ist eine Karikatur Martin Luthers eingefügt, wo dieser, anspielend auf der Apokalypse, als siebenköpfiges Tier dargestellt wird, das nach Cochläus Auffassung auf dessen widersprüchliche bzw. irrtümliche Lehren hinweist und seine angebliche Charakterlosigkeit anprangert. In der Hand die Bibel lesend, verdeutlichen die sieben Köpfe, dass Luther keine einheitliche christliche Auffassung vertritt und dadurch die Grundfesten der bisherigen Gesellschaft gefährdet.

Der Papst auf der Ablasskiste

Jakob Cammerlander: Practica der Pfaffen: Anfangk vnnd außgangk deß gantzen Bapstumbs, auß alten Prakticken vnd Propheceyen, mer dann vor CCC. jaren her also trewlichen abcontrafait, der jetzigen welt zů gůt vnnd besserung. ... Campoflor: [Straßburg], [circa 1535]. Signatur: Hist.eccl.E.378,2
Maße: 19,5 x 15 cm
Digitalisat
in der Deutschen Fotothek.

Der Papst sitzt hier nackt auf seiner Ablasskiste, darüber spottet der Bauer, denn seine Nacktheit ist jedermann offenbar geworden.

Luthers Protest gegen den Missbrauch des Ablasswesens fand unter seinen Anhängern große Zustimmung. Diesem Umstand ist die Darstellung des nackten Papstes, erkennbar an der Tonsur als Geistlichen, zu verdanken.