Buchausstattung

Die frühesten Flugschriften verfügten über ein schlicht gestaltetes Titelblatt, auf dem nur der Titel und der Verfasser angegeben wurden. Als der Erfolg und Absatz schnell zunahmen, entschloss man sich, nach und nach den Texten eine angemessene Ausstattung zukommen zu lassen. Auf diese Weise wurde zum ersten Mal „Gebrauchsliteratur“ mit einem Graphikdesign versehen. Gleiches gilt für die Textgestaltung. Initialen wurden eingefügt und verschiedene Schriftgrößen und –typen verwendet.

Titelblatt

Charakteristisch für viele Titelblätter sind Holzschnitteinfassungen, die für unterschiedliche Ausgaben verwendet werden konnten, also nicht nur für das spezielle Thema eines Textes. Dieses Verfahren ist sicher dem Umstand geschuldet, dass die Drucker binnen weniger Wochen mehrere Flugschriften herstellen mussten und sich gern eines Vorrates von Titeleinfassungen bedienten. Natürlich existierten auch Titelblätter, die mit Abbildungen auf den Autor, das Thema der Flugschrift oder den Adressaten eingingen.

Martin Luther: Eine Predigt, Auff das Euangelium des Sontags Jubilate. : Fur dem Churfursten zu Sachssen [et]c. Vnd dem Landgrauen zu Hessen gethan. Wittemberg: Nickel Schirlentz, 1542. Signatur: Hist.eccl.E.286,26
Maße: 19 x 15 cm

Martin Luther: Das LIII. Capitel des Propheten Jesaia, Von dem Leiden vnd der Herrligkeit Christi. Wittemberg: Nickel Schirlentz, 1539. Signatur: Hist.eccl.E.314,2
Maße: 20 x 15 cm

Die Titeleinfassung stammt aus der Werkstatt von Lucas Cranach und wurde vom Wittenberger Drucker Nickel Schirlentz mehrfach verwendet. Links ist die Königin Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers auf einem Tablett zu sehen. Rechts steht der Henker mit dem Schwert. Vor ihm liegend der Rumpf des geköpften Johannes. Oben sitzen König Herodes und seine Frau Herodias an einer Tafel.

 

Martin Luther [Übersetzer]: Das XXXVIII vnd XXXIX Capitel Hesechiel vom Gog .Wittemberg: Nickel Schirlentz, 1530. Signatur: 3.A.6201
Maße: 20 x 15 cm
Digitalisat
in der deutschen Fotothek.

Ebenfalls aus der Cranach-Werkstatt stammt die Holzschnitteinfassung, die oben die Trinität (Vater, Sohn und Heiliger Geist) darstellt und unten die Geburt Christi. Letztere wird umrahmt von den Reformatorenwappen Luthers (Rose mit Kreuz) und Melanchthons (eherne Schlange mit Kreuz). Das Druckersignet von Nickel Schirlentz (NS) ist am unteren Rand angebracht.

 

Reformatorenwappen

Martin Luther: Der CI. Psalm. Wittemberg: Hans Lufft, 1535. Signatur: Hist.eccl.E.313,8a
Maße: 17,5 x 13,5 cm
Digitalisat
in der Deutschen Fotothek.

ML = Martin Luther (Rose mit Herz und Kreuz)

PM = Philipp Melanchthon (am Kreuze erhöhte Schlange)

II = Justus Jonas (Jona, der von einem Walfisch verschlungen wird)

CC = Caspar Cruciger (Taube mit Ölzweig)

IB = Johannes Bugenhagen (Davidsharfe)

Bei den so genannten Reformatoren-Wappen handelt es sich entweder um Familienwappen, die bereits seit Generationen benutzt wurden oder um Wappen, die mit bestimmten Zeichen für Glaubensinhalte versehen und zum Teil dann als Familienwappen weitergeführt wurden.

 

Das bekannteste Beispiel ist die Lutherrose. Das Kreuz in der Mitte steht für den Tod Christi am Kreuz, das Herz als Symbol des Lebens, die Rose ist das Zeichen für Freude und Trost, die der Glaube spendet.

 

 

Melanchthons Wappen bezieht sich auf das Buch 4. Mose 21, 4-9 und Johannes 3, Vers 14 f.: "Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben".

 

 

Das Wappen von Justus Jonas, der als Jobst Koch geboren wurde und später den Vornamen seines Vaters „Jonas“ als Familiennamen übernahm, zeigt die biblische Gestalt des Jona aus dem Alten Testament (Jona 2), der von einem Fisch ausgespien wird.

 

 

Während Bugenhagens Harfe auf die Psalmen Davids zurückgeht, ist die Taube mit dem Ölzweig ein Symbol, das von Caspar Cruciger genutzt wird.

Aus der Arche Noah wird eine Taube losgeschickt, um zu wissen, ob bald Land in Sicht ist. Sie kommt mit einem Ölzweig im Schnabel zurück (1. Mose 8, 11) und zeigt damit, dass ein Ende der Sintflut abzusehen ist.

 

Drucktechnische Details

Martin Luther: Warnunge … an seine lieben Deud=schen. Wittemberg: Hans Lufft, 1531. Signatur: Hist.eccl.E.303,24.
Digitalisat in der Deutschen Fotothek.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Initiale (lat.: initium = Anfang) ist der erste große Buchstabe am Textanfang.

 

 

 

Schrägstriche wurden als Untergliederungszeichen, z.T. als Ersatz für Komma, Punkt und Absatz, verwendet.




Umlaute wurden mit einem kleinen „e“ versehen, das später durch einen Doppelstrich (z.B.: ü) ersetzt wurde.

 

Lagenbezeichnung: Angabe, wieviele Blätter für den Druck aus einem Bogen gefaltet wurden. Die Bezeichnung der lagen erfolgte in Buchstaben (Hier: A) und der Blätter in römischen Zahlen (hier: ij).


Die Kustode bezeichneterste Buchstaben oder Worte, die auf der nächsten Seite folgen.

Illustrationen

Illustrationen gehörten nicht zur Standardausstattung der Flugschriften. Abgesehen von polemischen Auseinandersetzungen, die durch Karikaturen bereits auf den Titelblättern ihren Ausdruck fanden, sind Abbildungen, die innerhalb des Textes die Aussagen optisch verstärken, nicht die Regel.


Martin Luther [Herausgeber]: DEudsche Messe vnd Ordnunge Gottes diensts.:
Wittemberg; Zwickaw: Wolffgang Meyerpeck, [1533]. Signatur: Hist.eccl.E.197.m
Maße: 20 x 30 cm
Digitalisat
in der Detuschen Fotothek.

Wie bei der Übersetzung der Bibel legte Luther sehr viel Wert auf die Einführung der deutschen Sprache in den Gottesdienst. Große Bedeutung hatte hier das Kirchenlied, zu dem der Reformator auch eigene Texte und Melodien lieferte, die bis heute gesungen werden. In der Regel wurden die Lieder nur mit dem Text gedruckt. Der Anteil der damals aufwändigen Notendrucke hingegen war sehr gering und betrug nur ca. 3 Prozent.
Quelle: Oehmig, S. 205–206

 

 

 

 

Der Traum Daniels

Äußerst selten sind Karten in Flugschriften zu finden. Offensichtlich war es dem Wittenberger Drucker dennoch wichtig, diesen Holzschnitt einzufügen, um Daniels Traum abzubilden:

Martin Luther [Übersetzer]: Der Prophet Daniel Deudsch. Wittemberge: Hans Lufft, 1530. Signatur: Hist.eccl.E.314,4
Maße: 24 x 16,5 cm
Digitalisat
in der Deutschen Fotothek.

„Ich Daniel sahe ein Gesichte in der nacht / vnd sihe / Die vier Winde vnter dem Himel stürmeten widereinander auff dem grossen meer. Und vier grosse Thier stiegen erauff aus dem Meer / eins je anders denn das ander.

DAs erste wie ein Lew / vnd hatte flügel wie ein Adeler …
VNd sihe / Das ander Thier hernach / war gleich einem Beeren / vnd stand auff der einen seiten / vnd hatte in seinem Maul vnter seinen zeenen drey grosse lange Zeene …

Nach diesem sehe ich / vnd sihe / Ein ander Thier / gleich einem [Leo]Parden Das hatte vier Flügel / wie ein Vogel / auff seinem rücken / vnd dasselbige Thier hatte vier köpffe …

NAch diesem sahe ich / in diesem Gesicht / in der nacht / Vnd sihe / das vierde Thier / war grewlich vnd schrecklich / vnd seer starck / vnd hatte grosse eiserne Zeene / … vnd hatte zehen Hörner. DA ich aber die Hörner schawet / Sihe / da brach erfur zwisschen denselbigen /ein ander klein Horn / fur welchem / der foddersten Hörner drey ausgerissen wurden / Vnd sihe / dasselbige Horn hatte Augen / wie Menschenaugen / vnd ein Maul das redet grosse ding.“

Originaltext aus der Bibelübersetzung Luthers