Hassreden im Dienste der Republik: Cicero gegen Mark Anton

Dennis Pausch: Kat. Nr. 1–2

Hassreden richten sich zumeist gegen Demokratie und Meinungsfreiheit. Als Cicero jedoch mit seinen Philippischen Reden für das bekannteste Beispiel aus der Antike sorgte, glaubte er, den Untergang der Republik verhindern zu können, indem er seine Mitbürger dazu brachte, Mark Anton zum Staatsfeind zu erklären, damit dieser sich nicht zum Nachfolger Caesars als Diktator aufschwingen konnte. Dieses Ziel verfolgte er in allen vierzehn Reden, die zwischen September 44 und April 43 v. Chr. entstanden sind. Die schärfsten Angriffe enthält die zweite Rede, bei der es sich um die einzige handelt, die Cicero nicht vor dem Senat gehalten hat, sondern lediglich in Gestalt eines fingierten Vortrages konzipiert und vermutlich im Herbst 44 v. Chr. auch als Flugschrift in mehreren Abschriften publiziert hat (Ott 2013).

Nicht zuletzt wegen ihres hochgradig invektiven Charakters hat gerade die zweite Philippica eine besonders intensive Rezeption erfahren, unter anderem in Form dieser Einzelhandschrift (Kat. Nr. 1), die im 15. Jh. in Italien angefertigt und 1739 in Rom für die Dresdner Sammlungen erworben wurde. Sie enthält verschiedene Anmerkungen späterer Leser, die eine intensive Auseinandersetzung mit dem Inhalt bezeugen. Ein weiterer Grund für die Faszination, die mit der Lektüre dieser Rede verbunden gewesen zu sein scheint, wird gleich auf dem vorderen Buchspiegel angegeben: M. T.Ciceronis Philippica secunda contra Antonium qua praeter alia necem ei violentam conciliavit. („Die zweite Rede des Marcus Tullius Cicero gegen Mark Anton, mit der er einen wesentlichen Beitrag zu seinem eigenen gewaltsamen Lebensende geleistet hat.“) Tatsächlich lässt sich Ciceros Ermordung am 7. Dezember 43 als letzte Stufe des Eskalationsgeschehens begreifen, das er durch seine Invektiven ausgelöst hat: Nachdem Mark Anton zu Beginn noch mit Worten und Flugschriften reagierte, nutzt er seine neue Machtstellung als Triumvir schließlich, um Cicero auf die Proskriptionslisten setzen zu lassen. Später stellte er dessen abgeschlagenen Kopf und Hände an der Rednertribüne auf dem Forum zur Schau (Kat. Nr. 2), um so das endgültige Verstummen seines Gegners zu inszenieren – vergeblich, wie unser Ausstellungsstück zeigt (Kat. Nr. 1).

Literatur

Frank-Thomas Ott: Die zweite Philippica als Flugschrift in der späten Republik, Berlin u. a. 2013.