Winckelmann als Gemmenkenner und Kunstgeschichtsschreiber

Brief von Winckelmann an Graf Wackerbarth-Salmour

Rom, 22. Dezember 1759.
SLUB: Mscr.Dresd.App.3140,1
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Zu Beginn seines ersten Briefes an Wackerbarth-Salmour übermittelt Winckelmann Glückwünsche zu Weihnachten bzw. Neujahr für das Wohl Sachsens und insbesondere der Kunstschaffenden. Zwar sei er gehalten, nicht ohne ein Buch vor den Grafen zu treten, aber der große Umfang des Stoffes, an dem sich vor ihm noch keiner versucht habe, nämlich die „Geschichte der Kunst des Altertums“, verzögere seine Absicht. Außerdem müsse er auf Wunsch des Kardinals Albani die Gemmensammlung des kürzlich verstorbenen Barons Philipp von Stosch in Florenz ordnen und katalogisieren.


Erworben mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung
und der Kulturstiftung der Länder.

     

Geschichte der Kunst des Altertums

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums
Dresden: Walther, 1764.
SLUB: 25.4.325-1
Foto: SLUB/Deutsche Fotothek

„Die Geschichte der Kunst soll den Ursprung, das Wachsthum, die Veränderung und den Fall derselben, nebst dem verschiedenen Stile der Völker, Zeiten und Künstler, lehren, und dieses aus den übrig gebliebenen Werken des Alterthums, so viel möglich ist, beweisen.“ So umreißt Winckelmann in der Vorrede den Inhalt seines zweiteiligen Hauptwerkes. Er unterschied als Erster Stilphasen in der Kunst von den Ägyptern bis zu den Griechen und Römern und berücksichtigte die jeweiligen Entstehungsbedingungen. Das Werk erschien mit einer Widmung an den kurz zuvor verstorbenen Kurprinzen Friedrich Christian. Auf dem Titelblatt sind Winckelmanns 1763 erlangte Ämter als Oberaufseher über die römischen Altertümer und als Schreiber (d. h. Handschriftenbearbeiter) der Vatikanischen Bibliothek genannt. Die Titelvignette zeigt eine etruskische Gemme, den sogenannten Stosch'schen Stein.

Konzept eines Antwortbriefes von Graf Wackerbarth-Salmour an Winckelmann

München, 19. Januar 1760.
SLUB: Mscr.Dresd.App.3140,2
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Der Graf dankt für die Glückwünsche und erwidert sie. Er gratuliert Winckelmann auch zu den Fortschritten, die er in der Kenntnis des schönen Altertums mache. Der Kurprinz werde sich eines Tages an der Veröffentlichung der Ergebnisse freuen und er selbst hoffe, nach der Rückkehr nach Sachsen davon zu profitieren.

 

 

 

 


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und der Kulturstiftung der Länder.

     

Brief von Winckelmann an Graf Wackerbarth-Salmour

Rom, 24. Mai 1760.
SLUB: Mscr.Dresd.App.3140,3
Foto: SLUB/Digitalisierungszentrum

Winckelmann teilt mit, er habe einem Mönch des Ordens der Barmherzigen Brüder drei Exemplare seines soeben in französischer Sprache erschienenen Kataloges der Gemmensammlung Stosch für das Kurprinzenpaar und für Giovanni Ludovico Bianconi mit auf den Weg nach Prag gegeben. Er bemängelt, dass dem knapp gehaltenen, in weniger als einem Jahr fertigzustellenden Werk der letzte Schliff fehle, und hofft, dies innerhalb einer theoretischen Geschichte der antiken Skulptur (d. h. die „Geschichte der Kunst des Altertums“) nachholen zu können, an der er seit mehr als vier Jahren arbeite und die der Kardinal Albani auf seine Kosten veröffentlichen wolle.


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Beschreibung der Stosch'schen Gemmensammlung

Johann Joachim Winckelmann: Description des pierres gravées du feu baron de Stosch, dédiée à son Eminence Monseigneur le Cardinal Alexandre Albani
Florenz: Bonducci, 1760.
SLUB: D.O.220,4
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Von August 1758 bis Mai 1759 katalogisierte Winckelmann in Florenz die bedeutende Sammlung überwiegend antiker Gemmen, die der befreundete, im November 1757 verstorbene Diplomat und Antiquar Baron Philipp von Stosch hinterlassen hatte. Er beschrieb die 3.444 Steine genau, deutete sie mit Hilfe literarischer und bildlicher Quellen und teilte sie nach ihren Darstellungen in acht Klassen ein, wie etwa Götter, Heroen, historische Personen, Bräuche, Tiere und Alltagsgegenstände. Die Vorzugsexemplare des Werkes sind mit einem großen Kupferporträt des Sammlers nach einer 1727 von Edmé Bouchardon geschaffenen Marmorbüste ausgestattet.

Stosch'scher Stein

Philipp Daniel Lippert: Dactyliotheca universalis
Abdruck aus Teil 2 (Historisches Tausend). - [Leipzig 1767]
Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, ASN 5461
Foto: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, H.-P. Klut/E. Estel

Der Abdruck des Stosch'schen Steines vermittelt einen Eindruck vom kleinen Format des originalen Steins (Karneol, um 500 v. Chr., Berlin, Antikensammlung), den Winckelmann in der „Geschichte der Kunst des Alterthums“ folgendermaßen beschreibt: „Einer der ältesten geschnittenen Steine, nicht allein unter den Hetrurischen, sondern überhaupt unter allen, die bekannt sind, ist ohne Zweifel derjenige Carniol im Stoßischen Museo, welcher eine Berathschlagung von fünf Griechischen Helden zu dem Zuge wider Theben vorstellet, und welcher auf dem Titel-Blatte dieses ersten Theils in Kupfer stehet. Die zu den Figuren gesetzte [sic] Namen zeigen den Polynices, Parthenopäus, Adrastus, Tydeus, und Amphiaraus; und von dem hohen Alterthume desselben zeiget [sic] so wohl die Zeichnung, als die Schrift [...].“
Winckelmann hätte 1758 in seiner Begeisterung für das Kleinod, wenn es möglich gewesen wäre, am liebsten einen Abdruck an Wackerbarth-Salmour geschickt, der selbst Gemmen sammelte.