Winckelmanns Tod
Am 10. April 1768 brach Winckelmann gemeinsam mit dem Antikenrestaurator Bartolomeo Cavaceppi zu einer mehrfach verschobenen Reise nach Deutschland auf, um Freunde und Bekannte unter anderem in Leipzig, Dessau, Berlin und Göttingen zu besuchen. Doch kaum in den ihm fremd gewordenen nördlichen Gefilden angekommen, beschloss er schwermütig, die Reise abzubrechen, begleitete Cavaceppi aber noch nach München und Wien, um von dort ins geliebte Italien zurückzukehren. Während er in Triest auf ein Schiff zur Überfahrt wartete, traf er den vorbestraften Koch Francesco Arcangeli, der in derselben Herberge wohnte, sich zunächst freundlich zeigte, ihn dann aber am 8. Juni aus einem bis heute nicht eindeutig geklärten Motiv in seinem Zimmer tödlich verletzte.
Mordakte Winckelmann
Domenico Rossetti, Carl August Böttiger: Joh. Winckelmanns letzte Lebenswoche. Ein Beitrag zu dessen Biographie. Aus den gerichtlichen Originalacten des Kriminalprozesses seines Mörders Arcangeli
Dresden: Walther, 1818.
SLUB: Biogr.erud.D.6139
Fotos (Titelblatt und S. 28 mit der Mordbeschreibung): SLUB/Deutsche Fotothek
Winckelmann lebte nach dem Mordanschlag noch einige Stunden, in denen er den Tathergang zu Protokoll geben und sein Testament machen konnte. Der Täter wurde wenig später gefasst, verhört, zum Tod verurteilt und gerädert. 40 Jahre später rollte der Triester Rechtsanwalt Rossetti den Kriminalfall anhand der heute in der Triester Stadtbibliothek liegenden Akten nochmals auf und veröffentlichte einen ausführlichen Bericht.
Stadtplan von Triest
Jacque Nicolas Bellin
Plan de Trieste dans l'Istrie
Paris, ca. 1760.
SLUB, Kartensammlung: A9925
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum
„Am ersten Tage des Monats Juni im Jahre 1768 um elf Uhr und drei Viertel des Morgens kam Winckelmann ganz allein in einer Postkutsche von Wien in Triest an und stieg im großen städtischen Gasthause [Osteria Grande, s. Markierung] am Petersplatze ab, wo er im zweiten Stockwerke das Zimmer Nr. 10 bezog, welches die Aussicht aus zwei Fenstern auf den innern Hafen, Mandracchio genannt, und aus einem auf den Hof des Hauses hat.“ (Rossetti, 1818). Der Attentäter Arcangeli wohnte nebenan im Zimmer Nr. 9.
Goethe erfährt von Winckelmanns Tod
Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit.
Abt. [1], Teil 2, 6.-10. Buch. - Tübingen: Cotta, 1812.
SLUB: Biogr.erud.D.3183-2,6/10
Foto: SLUB/Deutsche Fotothek
Goethe war schon als 18-Jähriger vertraut mit Winckelmanns Schriften. Er und seine Mitschüler warteten bei ihrem Zeichenlehrer Friedrich Adam Oeser in Leipzig gespannt auf ihre Abreise nach Dessau, um den berühmten Autor dort persönlich zu treffen, als die Nachricht von seinem Tod „wie ein Donnerschlag bey klarem Himmel“ einschlug. „Ich erinnere mich noch der Stelle, wo ich sie zuerst vernahm; es war in dem Hofe der Pleißenburg, nicht weit von der kleinen Pforte, durch die man zu Oeser hinaufzusteigen pflegte.“
Grabmonument für Winckelmann
Domenico Rossetti: Il sepolcro di Winckelmann in Trieste
Venedig: Alvisopoli, 1823.
SLUB: Biogr.erud.D.1461
Foto: SLUB/Deutsche Fotothek
Winckelmann wurde am 10. Juni 1768 unscheinbar im Gemeinschaftsgrab der Bruderschaft des Allerheiligsten Sakraments auf dem Friedhof der Triester Kathedrale S. Giusto beigesetzt. Um ihn dem Vergessen zu entreißen, setzte sich Rossetti für ein Grabmonument ein, das 1827-1832 von Antonio Bosa (1780–1845) in Marmor ausgeführt und 1833 im Triester Lapidarium in einer Nische aufgestellt wurde. Die lithographische Abbildung zeigt den obenauf sitzenden Trauergenius mit Casanovas Winckelmann-Porträt und die Tatwaffe, mit der Arcangeli fünfmal auf sein Opfer einstach.