Pressemitteilung

Restitution von NS-Raubgut: SLUB Dresden erwirbt Autographen aus dem Eigentum von Beno Kaufmann

Im Rahmen der systematischen Provenienzforschung an der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) konnten 23 Autographen identifiziert werden, die aus dem Besitz von Beno Kaufmann stammen. Beno Kaufmann wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und 1942 im KZ Theresienstadt ermordet. Die SLUB Dresden konnte die Autographen nun ankaufen.

Beno Berl Kaufmann wurde am 10. März 1862 in Krakau (damals Österreich, heute Polen) geboren. Er stammte aus einer jüdischen Familie, und war seit 1903 mit Anna, geborene Scharl, verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Wohl seit 1923 lebte Kaufmann mit seiner Frau in Dresden, zunächst in der Seidnitzer Straße 17, später in der Oehmestraße 6. Im Alter von 80 Jahren wurde Beno Kaufmann am 19. Juni 1942 mit der Diagnose „Senile Demenz“ in die Israelitische Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Seyn eingewiesen, die einzige Einrichtung, die zu diesem Zeitpunkt noch jüdisch Verfolgte mit psychischen Erkrankungen aufnehmen durfte. Von hier aus wurde er am 27. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 12. August 1942 ermordet.

Beno Kaufmann besaß eine Autographen-, eine Münz- und eine Grafiksammlung. Der Verbleib der Münzen und Grafiken ist ungeklärt, seine Autographensammlung wurde mutmaßlich 1942 durch die Berliner Antiquariate Ernst Henrici sowie Hellmut Meyer & Ernst veräußert. Bei letzterem kaufte die damalige Sächsische Landesbibliothek Dresden im April 1942 und im Januar 1943 insgesamt 24 Autographen sächsischer Persönlichkeiten. Von diesen sind heute 23 im Bestand der SLUB Dresden identifizierbar. Besonders erschütternd ist, dass Beno Kaufmann einen Teil seiner Sammlung 1928 selbst im Antiquariat Ernst Henrici erworben hatte. Henrici konnte 1942 eben diese Autographen erneut zum Verkauf anbieten und sich so bereichern.

Provenienzrecherche und Restitution unter Federführung der Klassik Stiftung Weimar

Als Eigentum von Beno Kaufmann identifiziert wurden die Objekte dank intensiver Recherchen des Provenienzforschungsteams der Klassik Stiftung Weimar, die von der SLUB Dresden unterstützt worden sind. Die Autographen befinden sich heute zum Teil noch immer in den Mappen, die Beno Kaufmann anfertigen ließ. Er versah sie mit umfangreichen biografischen Informationen zu den Schreiber:innen. Sie tragen den Aufdruck „Aus meiner Autographenmappe Beno Kaufmann“.

Nach den Recherchen der Klassik Stiftung Weimar konnten insgesamt 66 Autographen aus dem Eigentum von Beno Kaufmann nicht nur in der SLUB Dresden, sondern auch im Thüringer Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Weimar sowie im Freien Hochstift (Frankfurt am Main) identifiziert werden. Unter Federführung der Klassik Stiftung Weimar haben alle Institutionen mit den Nachfahr:innen von Beno Kaufmann einen Ankauf für die jeweilige Sammlung vereinbart. Somit bleiben die Stücke auch zukünftig Interessierten zur Forschung erhalten. Ein Brief und eine Einlegemappe aus dem Bestand der Klassik Stiftung Weimar wurden der Familie auf Wunsch zugesandt.

Die SLUB Dresden wird die von ihr verwahrten Objekte mit einer Einlage kennzeichnen sowie ein Dossier veröffentlichen, um damit auf das Schicksal des ehemaligen Eigentümers Beno Kaufmann hinzuweisen. Außerdem wurden die betreffenden Briefe digitalisiert und veröffentlicht.

Aufgrund der erwiesenen Verfolgung Beno Kaufmanns durch die Nationalsozialisten und des verfolgungsbedingten Verkaufs seiner Autographensammlung sind die ermittelten Autographen als NS-Raubgut zu bewerten. Im Fall von erwiesenem NS-Raubgut betrachtet sich die SLUB nicht als Eigentümerin der in ihrem Bestand befindlichen Objekte. Sie bemüht sich um eine Rückgabe an die Eigentümer:innen oder um andere Lösungen entsprechend der Wünsche von Erben und Nachfahren und in Einklang mit der „Washingtoner Erklärung“.

Die systematische Provenienzforschung an der SLUB Dresden wird von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste noch bis Oktober 2025 gefördert.

Liste der Autographen

  • Charles Edouard Duboc (Pseud. Robert Waldmüller) an Unbekannt, o.O., 25.11.1893, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.511,430)
  • Charlotte von Ahlefeld an Theodor Hell, Weimar, 4.5.1841, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,1)
  • Louis Angely an Theodor Hell, Berlin, 12.2.1828, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,2)
  • Wolf Heinrich von Baudissin an Unbekannt, Dresden, 30.10.1876, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,11)
  • Ernst von der Malsburg an Unbekannt, Dresden, 15.9.1823, 1 Br., eigenh. m. U., 4 S. (Mscr.Dresd.App.511,271)
  • Gottlob A. E. von Nostitz und Jänkendorf (Pseud. Arthur vom Nordstern) an Christian Conrad Wilhelm von Dohm, Dresden, 21.3.1810, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,302)
  • Gottlob Regis an Carl Gustav Carus, Breslau, 22.6.1852, 1 Br., eigenh. m. U., 2 ½ S. (Mscr.Dresd.App.511,323)
  • Eduard von Schenk an Ludwig Tieck, Regensburg, 11.5.1838, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,340)
  • Stephan Schütze an Wilhelmine Schütze, Dresden, 27.6.1821, 1 Br. m. Umschlag, eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.511,347)
  • Friedrich Adolf Ebert an Unbekannt, Dresden, 10.3.1827, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.512,33)
  • Franz Volkmar Reinhard an Unbekannt, o.O., 26.7.1810, 1 Br., eigenh. m. U., 4 S. (Mscr.Dresd.App.512,287)
  • Alexander von Miltitz an Constantin Karl Falkenstein, Dresden, 2.10.1841, 1 Br., eigenh. m. U., 1 S. (Mscr.Dresd.App.515,42)
  • Alexander von Miltitz an Carl Borromäus von Miltitz, Berlin, 11.2.1842, 1 Br., eigenh. m. U., 4 S. (Mscr.Dresd.App.515,43)
  • Joseph Friedrich zu Racknitz an Georg Joachim Göschen, o.O., o.D. (um 2.4.1799), 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.515,52)
  • Eduard Jerrmann an Theodor Hell, München, 21.8.1825, 1 Br., eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.517,8)
  • Eduard Jerrmann an Theodor Hell, Prag, 14.2.1833, 1 Br., eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.517,9)
  • Eduard Jerrmann an Theodor Hell, Köln, 3.12.1834, 1 Br., eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.517,10)
  • Johann Friedrich Schink an Elisa von der Recke, Berlin, 12.5.1819, 1 Br., eigenh. m. U., 1 S. (Mscr.Dresd.App.511,342)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, Dresden, 26.7.1836, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,5)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, München, 16.11.1837, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,6)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, München, 13.2.1854, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,7)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, Dresden, 20.5.1854, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,8)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, München, 31.12.1858, 1 Br., eigen. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,9)