Mittelalterliche Handschriften in italienischer Sprache

Im Bestand der SLUB befinden sich heute zwei italienischsprachige Handschriften aus dem 14. und dreizehn aus dem 15. Jahrhundert. Sie wurden jüngst in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt im Handschriftenzentrum an der UB Leipzig wissenschaftlich erschlossen und in der SLUB digitalisiert.

Dantes „Göttliche Komödie“

Dante Alighieri: La commedia
Handschrift auf Papier/Pergament.
Bologna (?), um 1372.
SLUB: Mscr.Dresd.Ob.25
Foto: SLUB

Erst kurz vor seinem Tod vollendete der toskanische Dichter Dante Alighieri (1265–1321) sein Hauptwerk, die „Göttliche Komödie“, in der er seine Jenseitsreise in die Hölle, auf den Läuterungsberg und schließlich ins himmlische Paradies erzählt. Mehr als 800 Handschriften (davon rund 500 vollständige, die früheste aus dem Jahr 1336) und zahlreiche Kommentare zeugen von der weiten Verbreitung und hohen Wertschätzung des volkssprachlichen Werkes schon bald nach seiner Entstehung. Die Dresdner Handschrift, die den gesamten Text mit einigen Kommentaren enthält, befand sich im 18. Jahrhundert im Besitz des Bologneser Kanonikers Giovanni Giacomo Amadei (gest. 1768). 1755 wurde sie von Abate Gabriel Balthasar Brunelli im Auftrag des Dresdner Hofes angekauft und sogleich durch den Bibliothekar Heinrich Jonathan Clodius in den Bestand der Kurfürstlichen Bibliothek eingearbeitet.
1945 führte ein schwerer Wasserschaden zur teilweise völligen Verblassung der Handschrift.

Geschichten über Alexander den Großen

Quintus Curtius Rufus: Historiae Alexandri Magni Macedonis, in Übersetzung von Lodrisio Crivelli
Illuminierte Handschrift auf Pergament.
Lombardei (Mailand?), 1438–1463/64.
SLUB: Mscr.Dresd.Ob.47
Foto: SLUB

Die vermutlich im 1. Jahrhundert nach Christus von dem nicht näher bekannten römischen Autor Curtius Rufus erzählten „Geschichten des Makedoniers Alexanders des Großen“ bestanden ursprünglich aus zehn Büchern, von denen die ersten beiden verloren sind. Die Dresdner Handschrift ist der bisher einzige Textzeuge für die italienische Übersetzung des Humanisten Lodrisio Crivelli (1412–vor 1488). Da das Wappen im prächtigen Weißranken-Rahmen mit Putten und den Profilbildern eines Ehepaares zu Beginn des dritten (in der Rubrik als „libro primo“ bezeichneten) Buches getilgt wurde, lässt sich der erste Besitzer des Codex nicht mehr bestimmen. Dem Eintrag auf dem vorderen Einbandspiegel zufolge wurde der Band von Heinrich Jonathan Clodius, seit 1743 Bibliothekar an der Kurfürstlichen Bibliothek, aus der Bibliothek des Bologneser Kanonikers Giovanni Giacomo Amadei erworben (wohl zwischen 1751 und 1755 durch Vermittlung von Abate Gabriel Balthasar Brunelli – vielleicht identisch mit dem Bologneser Naturwissenschaftler Abate Gabriel Brunelli (1728–1797), den ein Zeitgenosse auch als eifrigen Erforscher von Handschriften literarischer Werke aus vergangenen Jahrhunderten lobte).

Manettis Trostschrift

Giannozzo Manetti: Dialogo consolatorio
Illuminierte Handschrift auf Pergament. Florenz (?), um 1440–1455.
SLUB: Mscr.Dresd.Ob.8
Fotos: SLUB

Unter dem Titel „Dialogus de morte Antonini, filii sui, consolatorius“ hielt der Humanist Giannozzo Manetti (1396–1459) ein Trostgespräch fest, das er kurz nach dem Tod seines vierjährigen Sohnes Antonino 1438 im Karthäuserkloster La Certosa bei Florenz mit dem dortigen Prior Niccolò da Cortona und dem verwandten Politiker Angelo Acciaioli sowie zwei weiteren Teilnehmern über antike und christliche Ansichten zur Bewältigung von Schmerz beim Verlust eines Kindes führte. 1439 übersetzte der Autor seine Schrift für ein breiteres Publikum ins Italienische. Die mit zwei vergoldeten Weißrankeninitialen geschmückte Handschrift wurde einem Eintrag auf dem vorderen Einbandspiegel zufolge 1739 vom Dresdner Oberbibliothekar Johann Christian Götze in Rom erworben.
 

Johann Christian Götze: Bücher, so von mir auf die K. Bibliothec gelieffert worden im Jan. 1740
Eigenhändiges Manuskript.
[Dresden], Januar 1740.
SLUB: Bibl.Arch.I.A,Vol.2,Nr.10
Foto: SLUB

Nach der Rückkunft von seiner ersten Einkaufsreise über Wien nach Italien 1739 erstellte Johann Christian Götze (1692–1749), Hofkaplan am Dresdner Hof und ab 1734 Oberinspektor der Kurfürstlichen Bibliothek, eine Liste aller mitgebrachten Bücher (insgesamt 300 Drucke und Handschriften, darunter auch die Maya-Handschrift). Unter der Nummer 39 ist die Manetti-Handschrift Mscr.Dresd.Ob.8 aufgeführt.

 

Johann Christian Götze: Die Merckwürdigkeiten der Königlichen Bibliotheck zu Dreßden
Bd. 1, Sammlung 5.
Dresden: G. C. Walther, 1744.
SLUB: 1.A.5489-1
Foto: SLUB/Deutsche Fotothek

In der ersten Veröffentlichung über bemerkenswerte Schätze der kurfürstlich-königlichen Bibliothek wird als Nummer 415 (von insgesamt 536 Nummern) der Manetti-Codex behandelt. Seit Götzes Zeit haben sich sieben weitere Handschriften der italienischen Übersetzung gefunden. Die lateinische Version des Werkes wurde erstmals 1983 ediert; die italienische, von Götze als „liber classicus“ (d. h. Lehr- oder Schulbuch) bezeichnete Fassung, liegt bis heute nicht vollständig gedruckt vor.