Provenienz / Erwerbung
1739 erwarb der kurfürstlich-sächsische Hofkaplan und Bibliotheksoberinspektor Johann Christian Götze (1692-1749) den Codex seinen Angaben zufolge „als eine unbekannte Sache gar leicht umsonst“ von einer nicht näher bezeichneten "Privat-Person" in Wien (Die Merckwürdigkeiten Der Königlichen Bibliotheck zu Dreßden, ausführlich beschrieben, und mit Anmerckungen erläutert, 1. Slg., Dresden 1743, S. 4). Dorthin gelangte sie, wie schon Götze vermutete, wahrscheinlich über Spanien, das seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts zum Habsburger Reich gehörte.
Vielleicht war der Codex unter den aztekischen Faltbüchern, die der Eroberer von Mexiko, Hernán Cortés (1485-1547) mit zahlreichen indianischen Juwelen im Juli 1519 an Karl V. nach Spanien sandte. Cortés könnte den Codex von der Insel Cozumel vor Yucatán mitgenommen haben, wo er im Februar 1519 landete und wo sich das Hauptheiligtum der Göttin Ix Chel befand.
Ernst Wilhelm Förstemann mutmaßte, der Codex könnte identisch sein mit einem bemalten, in Jaguarfell gebundenen Hieroglyphenfaltbuch, das Francisco de los Cobos y Molina (gest. 1547), der Staatssekretär und Schatzmeister Kaiser Karls V. in Spanien, dem Arzt und Historiker Paolo Giovio (1483-1552) 1535 in Neapel oder wahrscheinlicher 1533 in Bologna schenkte, nachdem er, Cobos, es möglicherweise von Papst Clemens VII. erhalten hatte. Giovio interessierte sich wie viele Humanisten seiner Zeit für außereuropäische Kulturen und sammelte neben gemalten Porträts berühmter Persönlichkeiten Artefakte aus Mittelamerika, die er in seinem Palast in seiner Geburtsstadt Como ausstellte.
Nach einer noch unveröffentlichten Hypothese, die der Mayaforscher John F. Chuchiak (Bonn / Missouri State University) auf einer Konferenz in Dresden 2012 vortrug, könnte sich der Codex in der Sammlung des Erzherzogs Ferdinand II. (1529–1595) auf Schloss Ambras bei Innsbruck befunden haben und von dort aus nach Wien gelangt sein.
1740 wird der Codex als "unschätzbares Mexicanisches Buch mit Hieroglyphischen Figuren" an letzter Stelle auf einer Übergabeliste aller Handschriften und Bücher genannt, die Götze auf seiner ersten Einkaufsreise in Österreich und Italien für die Kurfürstliche Bibliothek erworben hatte.
1743 beschrieb Götze den Codex ausführlicher als "Mexicanisches Buch, das mit unbekannten Charaktern und Hieroglyphischen Figuren auf beyden Seiten beschrieben, und mit allerhand Farben bemahlet, in länglicht Oktav, ordentlich in Falten oder 39 Blätter zusammen gelegt, die der Länge nach über sechs Ellen austragen" (Die Merckwürdigkeiten Der Königlichen Bibliotheck zu Dreßden, ausführlich beschrieben, und mit Anmerckungen erläutert, 1. Slg., Dresden 1743, S. 1).
Am Schluss seiner Ausführungen bemerkt Götze, der Orientalist Giuseppe Simone Assemani (1687-1768), der seit 1710 mehrere Ämter in der Vatikanischen Bibliothek versah und 1739 zu deren Erstem Kustos ernannt wurde, habe "unser Exemplar vor vier Jahren zu Rom gesehen" (a. a. O., S. 5), was wohl so zu verstehen ist, dass Götze während seines Aufenthalts in Rom 1739 seine Neuerwerbung Assemani als einem Experten für die mexikanischen Manuskripte im Vatikan vorführte.
1755 verzeichnete der Bibliothekskopist Karl August Scheureck den Codex im ersten Handschriftenkatalog der Kurfürstlichen Bibliothek als Nummer 162 der orientalischen Handschriften im Quartformat.
1782 machte Karl Wilhelm Dassdorf, damals als Dritter Bibliothekar an der Kurfürstlichen Bibliothek zu Dresden angestellt, den Codex in seiner "Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der Churfürstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden" (Bd. 1, Dresden 1782, S. 311-313) einem breiteren Publikum bekannt.