Entwicklung einer neuartigen enzymatisch basierten Dekontaminierung von stark mikrobiell geschädigtem Schriftgut

Beschreibung
Der sich vollziehende Klimawandel stellt den Kulturgutschutz vor neue Herausforderungen, die nicht nur im präventiven Bereich liegen, sondern vor allem auch in der konservatorischen und restauratorischen Bearbeitung von Objekten, die konkreten Schadensereignissen ausgesetzt sind bzw. sein werden. Für Schriftgut sind neben Brandschäden vor allem Wasserschäden infolge von Starkregenereignissen, Überschwemmungen oder Löschwassereinwirkungen ein ernstes Problem, da sie häufig von massivem Schimmelpilzbefall begleitet werden und zu sehr komplexen Schadensbildern führen können. Zudem sind meistens große Mengen von Objekten gleichzeitig betroffen. Auch infolge von anhaltend ungünstigen oder kurzzeitig extremen Raumklimaten können sich gravierende Schimmelpilzschäden entwickeln.

Bereits in der Vergangenheit sind aus ganz unterschiedlichen Ursachen solche Schäden aufgetreten und in Archiven und Bibliotheken befinden sich noch viele hochrangige, schwerst geschädigte, bisher als nicht restaurierbar geltende Originale. Eine Behandlung von schimmelbefallenen Objekten nach dem aktuellen Stand der Technik beinhaltet ggf. eine Gamma-Bestrahlung zur Abtötung der gebildeten Schimmelkulturen sowie insbesondere deren mechanische Reinigung (Trockenreinigung), die manuell durchgeführt wird und nur oberflächenwirksam ist. Für das Lösen vonVerblockungen, die aus den durch das gesamte Papiergefüge wachsenden Schimmelkulturen entstehen können, besteht aktuell keine sichere oder wissenschaftlich fundierte Behandlungsmethode. Die genaue Analyse der Schimmelpilzschäden und die Entwicklung neuer, praxistauglicher Methoden zur Auflösung und Entfernung des Schimmels dient dazu, auch solche Objekte zu restaurieren und vor allem in der Zukunft für ähnliche Schadensereignisse geeignete Verfahren anwendungsbereit zur Verfügung zu haben. Ein Team von Forschern und Restauratoren aus vier Einrichtungen wird in diesem Projekt das komplexe Schadensbild Schimmelpilzbefall an Papierobjekten analysieren. Dazu ist es zunächst erforderlich, die gängigen Schimmelpilzarten zu bestimmen sowie ihre organischen Bestandteile und ihre Wirkprinzipien zu charakterisieren. Parallel werden geeignete Enzyme oder Enzymgemische recherchiert und beschafft, die diese Schimmelpilze unter Schonung der Papier - und Schreibmittelbestandteile auflösen können. Der Applikation der Enzyme wird besonders hohe Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei sollen ein wässriges Verfahren als konservatorisches Mengenverfahren und eine feuchtigkeitsarme Applikationsmöglichkeit für den restauratorischen Einsatz auf kleinen und kleinsten Flächen entwickelt und getestet werden. 

Neben schimmelbefallenen Originalen werden vor allem aus definierten Papieren hergestellte und beimpfte Testkörper für diese Untersuchungen zur Verfügung stehen. Erst wenn an den Testköpern Schimmelpilze erfolgreich aufgelöst werden können und die angewandten Methoden mehrfach und reproduzierbar zum Erfolg geführt haben, sind Tests an Originalen vorgesehen. Die neuen Verfahren zur Enzymapplikation sollen verantwortungsvoll in die restauratorische Praxisübertragen werden. Hierzu gibt es seitens des Zentrums für Bucherhaltung Leipzig (KMU) konkrete Überlegungen zur wirtschaftlichen Nachnutzung der Ergebnisse. Parallel wird eine Anwendung insbesondere der feuchtigkeitsarmen Applikationsmethode in der Restaurierungswerkstatt der SLUB Dresden zur Bearbeitung schwerst geschädigter Handschriften erfolgen. Weitere Anwendungen für den Einsatz spezifischer Enzyme oder Enzymmischungen zur Schimmelbeseitigung sind weit über Papierobjekte hinaus denkbar.

Laufzeit
2018–2020