Pressemitteilung

Der bewahrte Blick: Neue Ausstellung in der SLUB Dresden zeigt Film- und Tonschätze aus Sachsen

Seit 2019 engagiert sich die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden im Rahmen des   Programms „Sicherung des audiovisuellen Erbes in Sachsen“ (SAVE) für die Sicherung, Digitalisierung und Bereitstellung historischer Film-, Video- und Tonaufnahmen aus dem Freistaat. Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus fördert das Programm jährlich mit 380.000 Euro. In Zusammenarbeit mit dem Filmverband Sachsen konnten so bereits über 85.000 Spielminuten bzw. 1.900 Filmrollen, Ton- und Videobänder mit einem Datenvolumen von 95 Terabyte bearbeitet und, wo möglich, der Öffentlichkeit rechtssicher zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich um bisher kaum bekannte Aufnahmen aus dem sächsischen Alltagsleben der vergangenen 100 Jahre, die in Museen, Archiven, Bibliotheken und privaten Sammlungen lagern – Amateurfilme über das persönliche Lebensumfeld und Reisen in die Welt, ethnografische Studien oder experimentelle Kunst, die in Sachsen abseits einer großen Öffentlichkeit entstanden sind.

Barbara Klepsch, Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus: „Das Programm ist eine wertvolle Weiterentwicklung bei der Bewahrung unseres kulturellen Gedächtnisses, denn viele Film- und Tonaufzeichnungen sind einmalige und unverzichtbare Zeugnisse unserer Geschichte mit großem Wert für die historische Erinnerung – sie sind ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Erbes in Sachsen. Ich danke der SLUB, dass sie dieses innovative Projekt, das unser Kulturland bereichert, mit ihrer herausragenden Kompetenz gut auf den Weg gebracht hat.“

Nun sind diese Film- und Tonschätze erstmals öffentlich in einer Ausstellung zu sehen: „Der bewahrte Blick. Film- und Tonschätze aus Sachsen“ lädt vom 20. April 2023 bis 6. Januar 2024 ins Kino des Alltäglichen ein. Besucherinnen und Besucher können filmische und klangliche Fundstücke sowie das ungewöhnliche Handwerkszeug eines vergangenen multimedialen Alltags entdecken. Die umfassende Ausstellung in der Corty-Galerie und der Schatzkammer der SLUB (Zellescher Weg 18, 01069 Dresden) ist montags bis freitags von 10:00 bis 18:00 Uhr sowie samstags von 14:00 bis 18:00 Uhr geöffnet und wird ergänzt durch ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führungen und Veranstaltungen. Der Eintritt ist frei. Eröffnet wird die Ausstellung am 19. April 2023 um 19:00 Uhr. Anschließend, ab 20:30 Uhr, wird im Rahmen des 35. FILMFEST DRESDEN das Filmprogramm „Familienangelegenheiten. Persönliche Geschichten aus dem SAVE-Programm“ gezeigt. Auch dazu sind alle Interessierten herzlich eingeladen!

Dazu Katrin Stump, Generaldirektorin der SLUB Dresden: „Ich freue mich sehr, dass die Ausstellung einen Sammlungsschwerpunkt unseres Hauses in den Fokus rückt, der auch für die Forschung immer größere Bedeutung gewinnt. Unsere Abteilung ‚Musik und AV-Medien‘ beherbergt über 200.000 audiovisuelle und auditive Medien in vielen unterschiedlichen Formaten. Der Zugang zu historischem Film- und Tonmaterial ist oft weitaus schwieriger als bei gedruckten Medien und die Digitalisierung deutlich komplexer. Die Ausstellung zeigt einmal mehr, dass es sich lohnt: Filme und Tonaufnahmen werden wieder lebendig, wenn man sie tatsächlich anschauen und anhören kann.“

Von Festumzug bis Reisegruß: Das wird gezeigt

Zu sehen und zu hören gibt es Aufnahmen aus vielfältigen Entstehungskontexten sowie aus unterschiedlichen Regionen Sachsens.  

Aufnahmen von Festumzügen aus Marienberg, Tharandt, Lichtenstein oder Bautzen, die in den jeweiligen Stadtarchiven lagern, ermöglichen einen lebendigen Zugang zu Formen der städtischen Repräsentation und dokumentieren häufig eine nicht länger erhaltene Stadtgestaltung.  Eine spezielle Ausstellungsinstallation zeigt einen scheinbar endlosen Stadtumzug. Mit Filmausschnitten über Festumzüge aus 100 Jahren und aus verschiedenen Orten macht die Ausstellung den Wandel in der Bürgerschaft, ihrer Mode, ihres lokalen Gewerbes, aber auch ihrer politischen Vereinnahmung deutlich.

Das Medium Film diente immer wieder als Nachrichtenformat: So hat das Heimatmuseum Geithain der SLUB Dresden Filmrollen aus den 1960er Jahren zur Verfügung gestellt, darunter den so genannten „Geithainer Rundblick“, der von lokalen Filmemachern produziert wurde. Dieses besondere monatliche Kino-Magazin berichtete über Ereignisse in den kleinen Orten des gesamten Landkreises und wurde auch in den Landkinos vorgeführt. Die große Bedeutung des Wissens um die eigene Region vermitteln in der Ausstellung exemplarisch für ein ungemein breites Netz an Lokalfernsehanstalten in Sachsen die Sendungen von Dresden Fernsehen aus den 1990er Jahren mit unmittelbaren Eindrücken der Wendezeit und ihrer tiefgreifenden Wandlungsprozesse.

Historisch einmalig sind auch die Tourneeaufnahmen der Sächsischen Staatsapelle Dresden aus Familienbesitz: Von 1955 bis 1983 nahm der Solobratschist Alfred Schindler auf Dutzenden Konzerttourneen mit einer Handkamera Schmalfilme auf, die ein authentisches Bild der damaligen Kapellreisen zeichnen. Gerade die Bilder aus dem nicht-sozialistischen Ausland dürften in Dresden in Schindlers privatem Umfeld mit besonderer Neugier aufgenommen worden sein.

Ausstellungskurator André Eckardt, der das SAVE-Programm an der SLUB mit aufgebaut hat: „Sachsen war zwar nie das Produktionsland glamouröser Kinofilme, aber in hiesigen Archiven, Museen und Sammlungen überwintern Filmrollen, aus denen auf besondere Weise das pralle Leben der Region in den letzten 100 Jahren schimmert. Es sind Aufnahmen, deren Wert und Tiefe uns oft erst heute mit einem zeitlichen Abstand bewusstwerden.“

Lukas Foerster, freier Filmhistoriker und ebenfalls Kurator der Ausstellung, ergänzt: „Bei alten Spielfilmen trifft man auf vertraute Erzählmuster und Bildmotive. Amateurfilme hingegen können schlichtweg alles enthalten und man bleibt oft an Details hängen, auf die man in Spielfilmen weniger achtet: Gesten, Blicke, manchmal auch eine gewisse Unsicherheit vor der Kamera. Es sind Zufallsbekanntschaften mit Menschen aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt."

Mit Tonaufzeichnungen auf sogenannten Selbstschnittfolien widmet sich die Ausstellung einem faszinierenden, aber weitgehend vergessenen Medium. Bis Anfang der 1950er Jahre wurde vor der Verbreitung des Tonbands dieses Format im Heimbereich genutzt, um mittels „Sprechbrief“ Grußbotschaften mit eigener Stimme an entfernt lebende Verwandte zu schicken. Es bot zudem die Möglichkeit für Aufnahmen im Kreis der Familie oder für Mitschnitte beliebter Melodien aus dem Rundfunk und ist somit ein Vorläufer des späteren „Mixtapes“ wie auch der heutigen Voice-Mail.

Martin Fiedler, Restaurator an denTechnischen Sammlungen Dresden: „Es ist unglaublich wertvoll, dass die historischen Selbstschnittplatten aus unserer Sammlung nun im SAVE-Programm digitalisiert und wieder zugänglich gemacht werden konnten. Einige der Tonträger weisen bereits alterungs- und materialbedingte Schäden auf und wir können nicht sagen, wie lang uns die Objekte physisch in diesem Zustand erhalten bleiben.  Umso wichtiger ist es, dass die Inhalte nun gesichert wurden.“

In der Schatzkammer der SLUB Dresden ist eine dieser Selbstschnittplatten zu sehen, gemeinsam mit weiteren historischen Film- und Tonträgern vom selbst gebauten Mikrofon bis zur Schmalfilmkamera. Die Ausstellung lenkt den Blick dort auf die materiellen Bedingungen der Film- und Tonproduktion des analogen Zeitalters und zeigt auch Beispiele erstaunlich ästhetischer Effekte, die durch Zersetzungsprozesse hervorgerufen wurden.

Mit der Ausstellung laden die SLUB Dresden und der Filmverband Sachsen nicht nur dazu ein, Sachsens Film- und Tonschätze zu entdecken, sondern regen auch zur Schatzsuche an. Besitzen Sie noch historische Film- und Tonmedien, so kommen wir gern mit Ihnen ins Gespräch:   save@slub-dresden.de oder +49(0)351-4677560.