Pressemitteilung

Protagonist ostdeutscher Fotografie gibt sein Werk nach Dresden: Deutsche Fotothek übernimmt Vorlass von Jürgen Matschie

Die Deutsche Fotothek der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) erhält den Vorlass des Bautzner Fotografen Jürgen Matschie für ihr „Archiv der Fotografen“. Mehr als 600 Fotografien aus allen Schaffensphasen sind bereits an die Dresdner Institution übergeben worden und im Fototheksportal online zugänglich. Die spätere Übernahme des gesamten Archivs ist vertraglich vereinbart. Mit Jürgen Matschie, der am 28. Februar seinen 70. Geburtstag begeht, ist fortan ein weiterer wichtiger Protagonist ostdeutscher Fotografie in der Sammlung der Deutschen Fotothek vertreten.

Jürgen Matschie dazu: „Mit meiner Aufnahme ins Archiv der Fotografen ist eine wichtige Etappe meines Lebens abgeschlossen. Ich fühle mich mit meinem fotografischen Werk und Archiv gut aufgehoben im Kreis von mir sehr verehrten Kollegen, von denen ich einige sogar persönlich kennengelernt habe.“

Jürgen Matschies großes Thema, dem er sich seit über vier Jahrzehnten widmet, ist die zweisprachige Lausitz: als Lebensumfeld, als Landschaft und als Wirtschaftsraum von Sorben und Deutschen. Spannungsvoll bewegt sich sein Oeuvre zwischen sozialdokumentarischer Beobachtung und formal-ästhetischer Transformation der Wirklichkeit. Strukturwandel, generationelle Veränderungen, Modernisierungsprozesse, der politische Umbruch 1989/90 und der Widerhall globaler Entwicklungen im Lokalen werden in Jürgen Matschies Fotografien sichtbar. Viele Jahre lang hat er Menschen in ihrem zumeist dörflichen Umfeld in ihrem alltäglichen und besonderen Tun mit der Kamera begleitet. Das 1995 erschienene Buch „DOMA“ (sorbisch für Zuhause) stellt eine Art Essenz dieser Auseinandersetzung dar: ein behutsames visuelles Soziogramm der Region und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, deren Leben in den 1980er Jahren stark von der sorbischen Kultur geprägt war.

Gleichermaßen kennzeichnend für die Lausitz war und ist die exzessive industrielle Nutzung der Natur zur Braunkohlegewinnung, einhergehend mit einer massiven Transformation der Landschaft. In Langzeitprojekten wie den 1985 begonnenen „Bergbaulandschaften“ und den seit 2010 anschließenden „Bergbaufolgelandschaften“ dokumentiert der Fotograf diese Entwicklungen. Während Jürgen Matschie den Tagebau überwiegend in Schwarzweiß fotografiert hat, hält er die sukzessive Schließung der Gruben und die sich daran anschließenden Renaturierungsprozesse, in deren Zuge neue Landschaften, Freizeitgebiete und touristische Infrastrukturen entstehen, in Farbe fest. Weitere zentrale Werkkomplexe sind die zwischen 2002 und 2008 entstandenen „Agrarlandschaften“ sowie die 2007 begonnene Serie der „Stadtlandschaften“, mit denen er das geografische Spektrum auf kleine und große Städte in Süd-, Mittel- und Osteuropa erweitert.

 „Insbesondere in seinen jüngeren Projekten und in den Arbeiten zum Tagebau zeigt sich die überregionale Bedeutung von Matschies Werk, das nicht zuletzt mit Blick auf Energiewende und Klimawandel aktueller ist denn je.“, betont Agnes Matthias, Kuratorin des „Archivs der Fotografen“ an der Deutschen Fotothek. „Jürgen Matschie wird oft als fotografischer Chronist der Lausitz bezeichnet, aber wir sollten sein Werk viel umfassender würdigen.“, so Matthias weiter.

Jürgen Matschie wurde 1953 in Bautzen geboren und wuchs im nördlich davon gelegenen Dorf Spreewiese (sorb. Lichań) auf. Zwischen 1972 und 1974 erfolgten erste fotografische Versuche. Nach einem Technologiestudium und Tätigkeit im VEB Kondensatoren-Werk Görlitz wechselte er 1979 in die Kulturarbeit am Haus für sorbische Volkskunst in Bautzen, wo er im Bereich Amateurfilm und -fotografie tätig war. Von 1983 bis 1986 absolvierte Jürgen Matschie ein Fernstudium im Fachbereich Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Horst Thorau. 1988 begann er, als freiberuflicher Fotograf in Bautzen zu arbeiten und verfolgte fortan eigene künstlerische Projekte. Seit 2003 widmet er sich der Aufarbeitung von Vor- und Nachlässen verschiedener Lausitzer Fotografen; die Ergebnisse werden in Buchform herausgebracht. Darunter ist sind u. a. Erich Rinka und Kurt Heine. 2008 war Jürgen Matschie Mitbegründer der „ASA-Gruppe Fotografie“, einem Zusammenschluss der Fotografen Georg Krause, Frank Höhler und Thomas Kläber (die beiden letzteren sind ebenfalls im Bestand der Deutschen Fotothek vertreten), die zusammen ausstellen und publizieren. Jürgen Matschie lebt und arbeitet in Bautzen-Seidau.

Weiterführende Informationen:

Die Fotografien von Jürgen Matschie im Bestand der Deutschen Fotothek finden Sie unter www.slubdd.de/matschie. Knapp 100 Motive zur sorbischen Kultur, die sich als Prints im Sorbischen Institut in Bautzen befinden, werden ebenfalls digital auf dem Fototheksportal präsentiert.

Die Deutsche Fotothek ist Kooperationspartner der Retrospektive „Ducy Domoj – Unterwegs nach Hause“ zu Jürgen Matschie, die vom 12.11.2023 bis zum 25.02.2024 im Sorbischen Museum in Bautzen zu sehen sein wird. Am Mittwoch, dem 29.11.2023, findet um 19 Uhr ein Künstlergespräch mit Jürgen Matschie im Rahmen der Veranstaltungsreihe FOTOTHEK.spotlight vor Ort in Bautzen statt.

Über die Deutsche Fotothek

Gegründet 1924, bietet die Deutsche Fotothek als kulturgeschichtliches Universalarchiv mit einem Gesamtbestand von über sechs Millionen Bilddokumenten ein vielfältiges Themenspektrum mit Sammelschwerpunkten in den Bereichen Fotografiegeschichte, Kunst, Architektur und Technikgeschichte. Die bedeutendste Aufgabe der Deutschen Fotothek besteht in der Erhaltung und Aktivierung fotografischer Werke und Nachlässe. In ihrem „Archiv der Fotografen“ präsentiert die Fotothek die Werke bedeutender deutscher oder in Deutschland arbeitender Fotografinnen und Fotografen. In der Online-Bilddatenbank www.deutschefotothek.de sind derzeit rund 2.230.000 Bilder recherchierbar.

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