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Restitution von NS-Raubgut: SLUB Dresden gibt Bücher aus dem Eigentum Heinrich Klangs an Erb:innen zurück

Die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) hat zwölf Bücher aus ihrem Bestand an die Nachfahren des Wiener Juristen Heinrich Klang restituiert. Heinrich Klang wurde nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 als Jude verfolgt und in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Er überlebte den Holocaust. In einer gemeinsamen Restitution mit sieben weiteren deutschen und österreichischen Bibliotheken wurden am 13. Dezember 2022 insgesamt 25 Werke in 42 Bänden an seine Erb:innen zurückgegeben. Unter anderem wurden auch an der Universitätsbibliothek Wien Bücher aufgespürt – diese koordinierte die gemeinsame Restitution an die Erb:innen.

„In Erinnerung an Heinrich Klang und in Absprache mit dem Obersten Gerichtshof in Wien wird seitens der Erb:innen geplant, die Bücher im kommenden Jahr an die Bibliothek des OGH zu übergeben“, erklärt Markus Stumpf, der Leiter der NS-Provenienzforschung der Universitätsbibliothek Wien.

Die Bände wurden in der SLUB Dresden im Rahmen des Provenienzforschungsprojektes „NS-Raubgut in der SLUB (Bestände der Universitätsbibliothek)“ identifiziert. Das Forschungsvorhaben wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste finanziert.

Heinrich Klang

Heinrich Klang wurde am 15. April 1875 in Wien geboren. Er studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften. Nach seiner Promotion im Jahr 1897 schlug Heinrich Klang die Richterlaufbahn ein und war u.a. am Landgericht Wien und Oberlandesgericht Wien tätig. 1903 erschien seine erste von insgesamt 775 wissenschaftlichen Publikationen. 1923 habilitierte sich Heinrich Klang an der Universität Wien, wo er anschließend als Privatdozent für bürgerliches Recht und ab 1925 als außerordentlicher Universitätsprofessor lehrte. Im selben Jahr trat er in die Redaktion der Juristischen Blätter ein, deren Mitherausgeber er im darauffolgenden Jahr wurde. Diese Funktion hatte er bis zum Jahr 1938 und ab 1946 bis zu seinem Tod im Jahr 1954 inne.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 verlor Klang aufgrund seiner jüdischen Herkunft sowohl seine Anstellung als Richter als auch seine Lehrbefugnis. Seine Emigrations- und Fluchtversuche scheiterten. Am 24. September 1942 wurde Heinrich Klang in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Heinrich Klang überlebte den Holocaust und organisierte nach der Befreiung den ersten Rücktransport österreichischer Häftlinge nach Wien. Im November 1945 wurde er Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs und gehörte bis 1946 dem Verfassungsgerichtshof an. Bis 1951 lehrte er als Honorarprofessor wieder an der Universität Wien. Heinrich Klang starb am 22. Januar 1954 in Wien.

Der Weg der restituierten Werke

Der Jurist und Versicherungsfachmann Dr. James Klang (1847–1914) hatte mit seiner Frau Caroline, geb. Rooz (1853–1917), drei Söhne: Heinrich (1875–1954), Marcell (1876–1942) und Fritz (1885–1941). Nach dem Tod von James Klang ging seine Bibliothek an seinen Sohn Heinrich über.

Heinrich Klang verkauft die restituierten Werke 1939 unter verfolgungsbedingtem Zwang an ein Wiener Antiquariat. Darüber gibt die in Bleistift geschriebene Nummernkombination „39/25“ auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels des ersten Bandes Aufschluss. Zahlenkombinationen wie diese verwendete die Wiener Antiquariats- und Exportbuchhandlung Alfred Wolf, eine Profiteurin von zahlreichen liquidierten und "arisierten" Wiener Antiquariaten. Sie kennzeichnete die Klang`sche Bibliothek mit der Zahlenkombination „39/25“, wobei die „39“ für das Jahr des Wareneingangs (1939) und die „25“ für den codierten Vorbesitzer Heinrich Klang stehen. Der Antiquariatsbuchhändler Alfred Wolf, seit 1933 Mitglied der NSDAP, eröffnete nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 ein Antiquariat in Wien, dessen Warenlager er mit Buchbeständen verfolgter jüdischer Antiquare sowie Privatpersonen aus Wien füllte. Heinrich Klang beschreibt in einem Selbstporträt die zunehmende Verfolgung jüdischer Bürger:innen durch die Gestapo in Wien und den erzwungenen Verkauf seiner Privatbibliothek. Er merkt an, dass er besonders in Wiener Antiquariaten seine Bücher unter Wert verkaufen musste:

„Um nicht durch eine plötzliche Ausweisung in eine unmögliche Lage zu geraten, begann ich meinen Besitz langsam zu liquidieren. Am schwersten fiel mir wohl die Trennung von meiner Bücherei, mit deren Sammlung schon mein Vater begonnen hatte […]. Eine nicht übermäßige Anzahl konnte ich zu halbwegs anständigen Preisen an Antiquare in Leipzig, Berlin und Frankfurt a.M. verkaufen, während ich mit den Wiener Antiquaren die schlechtesten Erfahrungen gemacht habe […].“ (Heinrich Klang: Heinrich Klang. In: Nikolaus Grass (Hrsg.): Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Innsbruck 1952, S. 132)

Aufgrund der codierten Nummer ist erwiesen, dass Heinrich Klang die zwölfbändige Lexikonreihe an das Antiquariat Alfred Wolf unter verfolgungsbedingtem Zwang verkaufte.

Anhand der Inventarnummern der zwölf Bände kann geschlussfolgert werden, dass sie 1992 in den Bestand der Universitätsbibliothek Dresden eingegangen sind. Provenienzhinweise auf weitere mögliche Zwischenstationen gibt es in den Büchern nicht. Insofern blieb bisher ungeklärt, wo sie sich zwischen dem Verkauf in Wien und der Erwerbung durch die UB Dresden befunden haben.

Die restituierten Werke:

1.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 1. Aachen – Auswanderung. Altona: Hammerich, 1845.
2.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 2. Ausweisung – Calmarische Union. Altona: Hammerich, 1846.
3.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 3. Calvin – Deutsches Landes-Staatsrecht. Altona: Hammerich, 1846.
4.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 4. Deutsches Reich – Forstwesen. Altona: Hammerich, 1846.
5.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 5. Fourier's – Girobank. Altona: Hammerich, 1847.
6.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 6. Glarus – Hessen-Homburg. Altona: Hammerich, 1847.
7.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 7. Hexenprozess - Jüstemilieu. Altona: Hammerich, 1847.
8.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 8. Justiz – Meineid. Altona: Hammerich, 1847.
9.)    Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 9. Geschichte d. Menschheit – Notariat. Altona: Hammerich, 1847.
10.)  Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 10. Notstand – Praxis. Altona: Hammerich, 1848.
11.)  Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 11. Pressefreiheit – Schiffahrt. Altona: Hammerich, 1848.
12.)  Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 12. Schlözer – Zollverein. Altona: Hammerich, 1848.

Die codierte Nummernfolge der Buchhandlung Alfred Wolf (Wien):
http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90116495

Die SLUB Dresden führt seit 2009 mit Unterstützung verschiedener Fördereinrichtungen systematische Provenienzforschungsprojekte durch. Am Anfang stand die Überprüfung der Zugänge von 1945 bis 1990 auf sogenannte Schlossbergungsgüter, die im Zuge der Enteignung von Gutshäusern und Schlössern in der SBZ/DDR in verschiedene Kultureinrichtungen gelangt sind. Seit 2011 werden die Bestände ihrer Vorgängereinrichtungen hinsichtlich NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut untersucht – zunächst jene der Sächsischen Landesbibliothek, seit September 2021 die der Universitätsbibliothek Dresden. Identifizierte Besitzspuren werden im Online-Katalog der SLUB Dresden und in der Deutschen Fotothek veröffentlicht; ausführliche Beiträge und Falldossiers auf der Projektwebsite und über den Publikationsserver Qucosa transparent dargestellt.

Kontakt
Annemarie Grohmann
Pressesprecherin SLUB Dresden
Telefon: +49 (0)351 4677-342
E-Mail: Annemarie.Grohmann@slub-dresden.de