Press release

Restitution von NS-Raubgut aus SLUB Dresden – Buch aus dem Eigentum Alfred Brods verbleibt auf Wunsch der Erb:innen im Bestand der SLUB

Die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) hat ein Buch aus ihrem Bestand an die Nachfahren des Prager Bankdirektors Alfred Brod restituiert. Alfred Brod und seine Familie wurden als Juden und Jüdinnen verfolgt, in das Konzentrationslager Lodž deportiert und dort ermordet. Die SLUB restituierte das Buch an seine Erb:innen, die sich für dessen Verbleib als Schenkung im Bestand der SLUB entschieden.

Das restituierte Buch wurde in der SLUB Dresden im Rahmen des Provenienzforschungsprojekts „NS-Raubgut in den SLUB (Erwerbungen nach 1945)“ (Laufzeit 2017–2020) identifiziert. Das Forschungsvorhaben wurde vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste finanziert.

Jana Kocourek, Leiterin der Abteilung Handschriften, Alte Drucke und Landeskunde an der SLUB: „Seit 2011 haben wir bereits in über 25 Fällen einen Zusammenhang zu NS-verfolgungsbedingten Entzügen ermittelt und konnten mehr als 400 Bände an rechtmäßige Erb:innen restituieren. Die Rückgabe von weiteren 20 Büchern wird gerade vorbereitet. Noch viel wichtiger als diese Fallzahlen sind jedoch die Schicksale, die dahinter stehen. Es ist auch unsere Aufgabe, und das wird angesichts fortschreitender Zeit immer wichtiger, die dazugehörigen Geschichten zu erzählen.“

Alfred Brod

Alfred Brod wurde am 11. Februar 1887 als Sohn von Emilie, geb. Burger (1856–1937), und Joachim Brod (1846–1913) in Prag geboren. Er wuchs mit seinen acht Geschwistern in Prag auf. Der Bankdirektor Alfred Brod war mit Zdenka Brodová, geb. Sternová (*9. Juni 1891), verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder: František (*9. Mai 1913) und Anna (*16. Juni 1924). Die Familie lebte in Prag. Alle vier Familienmitglieder wurden als Juden und Jüdinnen verfolgt und am 3. November 1941 von Prag in das Konzentrationslager (KZ) Lodž deportiert. Im Meldebuch werden sie unter der Wohnungsnummer 32 auf der Hamburger Straße 17 im KZ Lodž genannt.  Alfred Brod wurde am 2. oder 3. Juli 1942 ermordet. Das Meldebuch verzeichnet für Zdenka, František und Anna ein auf den 11. September 1942 datiertes, euphemistisches „Ausg[ezogen]“ – wahrscheinlich das Datum ihrer Ermordung. Von den acht Geschwistern Alfred Brods ist nur das Überleben eines Bruders gesichert, das Schicksal zweier Schwestern ist unbekannt, fünf Geschwister wurden nachweislich im Holocaust ermordet.

Restituiertes Werk

Der handschriftliche Namenszug Alfred Brods befindet sich im ersten Band von Gustav Meyrinks „Des deutschen Spießers Wunderhorn“. Der zugehörige Eintrag im Zugangsbuch der Sächsischen Landesbibliothek (SLB) aus dem Jahr 1954 weist keine Angaben zum Lieferanten auf. Das Buch enthält zudem einen Stempel des Landesvorstandes Sachsen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hier um den Lieferanten handelt. Im Jahr 1954 ging ein größeres Konvolut von Büchern, die alle den gleichen FDGB-Stempel enthalten, in den Bestand der SLB ein. Einige der identifizierten Vorbesitzer:innen dieser Büchern wurden in das KZ Theresienstadt deportiert. Auch bei dem Buch aus dem Eigentum Alfred Brods besteht die Möglichkeit eines Zusammenhanges zu der Bibliothek in Theresienstadt: Die von den Häftlingen mitgebrachten Bücher wurden ihnen bei der Ankunft abgenommen und in die Bibliothek gebracht; der Bestand wurde aber auch durch liquidiere Buchbestände aus dem besetzten Gebieten angefüllt.

Aufgrund des nachgewiesenen Vorbesitzes Alfred Brods und des Provenienzverlaufs, der einen Entzug durch das nationalsozialistische Regime nahelegt, ist das Buch als NS-Raubgut zu bewerten. Bei erwiesenem NS-Raubgut betrachtet sich die SLUB nicht als Eigentümerin der Bücher und strebt eine Restitution oder andere faire und gerechte Lösungen in Absprache mit den Erb:innen an. Auf Wunsch der Rechtsnachfolger:innen von Alfred Brod verbleibt das Buch als Schenkung im Bestand der SLUB.

Die SLUB Dresden führt seit 2009 mit Unterstützung verschiedener Fördereinrichtungen systematische Provenienzforschungsprojekte durch. Am Anfang stand die Überprüfung der Zugänge von 1945 bis 1990 auf sogenannte Schlossbergungsgüter, die im Zuge der Enteignung von Gutshäusern und Schlössern in der SBZ/DDR in verschiedene Kultureinrichtungen gelangt sind. Seit 2011 werden die Bestände ihrer Vorgängereinrichtungen hinsichtlich NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut untersucht – zunächst jene der Sächsischen Landesbibliothek, seit September 2021 die der Universitätsbibliothek Dresden. Identifizierte Besitzspuren werden im Online-Katalog der SLUB Dresden und in der Deutschen Fotothek veröffentlicht; ausführliche Beiträge und Falldossiers auf der Projektwebsite https://nsraubgut.slub-dresden.de/ns-raubgut/ und über den Publikationsserver Qucosa transparent dargestellt.

Kontakt
Annemarie Grohmann
Pressesprecherin
Telefon: +49 (0)351 4677-342
E-Mail: Annemarie.Grohmann@slub-dresden.de