Press release

Herausragende Sammlung zur Geschichte der Kochkunst und Spitzengastronomie jetzt an der SLUB Dresden

Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Rudolf-August Oetker-Stiftung konnte die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) die Kulinaria-Sammlung des 2015 verstorbenen Küchenchefs Ernst Birsner erwerben. Die Sammlung umfasst insgesamt rund 30.000 Objekte, darunter etwa 16.500 Menü- und Speisekarten aus mehreren Jahrhunderten, circa 11.000 Bücher sowie gastrosophische Handschriften. Es handelt sich um eine der umfangreichsten und wertvollsten Privatsammlungen zur Geschichte der Kochkunst und Esskultur im deutschsprachigen Raum. 

Der 1935 geborene Ernst Birsner ließ sich in Heidelberg zum Koch ausbilden. Nach Anstellungen in der Spitzengastronomie in Deutschland und im europäischen Ausland, unter anderem in Paris und Nizza, wurde er Maître de cuisine im Kochstudio des Burda-Verlages. Dort kochte er außerdem für das Verlegerehepaar Aenne und Franz Burda und dessen prominente Gäste. Durch die Publikationen des Burda-Verlages beeinflusste er die bürgerliche Kochkultur im Westdeutschland der 1960er bis 1980er Jahre und wurde durch seine Sammelleidenschaft zum bedeutenden Kenner der Koch- und Gastronomieliteratur.

Die in seiner Bibliothek enthaltenen Drucke dienten ihm als Handapparat für seine tägliche Arbeit. Neben französischen und englischen Fachbüchern zur Kochkunst finden sich vor allem deutschsprachige Publikationen zur gehobenen, aber auch zur bürgerlichen Küche. Darüber hinaus enthält die Sammlung bibliophile Stücke, die Birsners Leidenschaft widerspiegeln. Besonders erwähnenswert ist zum Beispiel eine Ausgabe von Bartolomeo Platinas De Honesta Voluptate, des ersten gedruckten Kochbuches in einer Ausgabe von 1517. Ebenfalls hoch interessant sind die Handschriften und Manuskripte, die von einfachen Rezeptsammlungen bis hin zu einem Menübuch Kaiser Wilhelms II. aus seinem Exil in Doorn reichen. Zu den Pretiosen des Bestandes gehört auch die Haushaltsaufstellung aus dem Schloss Marly-le-Roi von 1707, das schon vor dem Bau von Schloss Versailles von Ludwig XIV. als Sommer- und Jagdresidenz genutzt wurde. Sie gibt einen Einblick in die Tafelkultur des französischen Königs.

Die umfangreiche Menükartensammlung mit einem Schwerpunkt auf Karten von deutschen und europäischen Höfen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bildet die täglichen Mahlzeiten der Fürsten- und Königshäuser teils fast lückenlos ab. Als ebenso interessant sind die Menü- und Speisekarten der Luxusschifffahrt oder von europäischen Sternerestaurants einzuschätzen. Und nicht zuletzt bieten die bisweilen von berühmten Künstlern gestalteten Menükarten der Kunstgeschichte ein reiches Untersuchungsfeld zur Gebrauchsgrafik, einem traditionellen Sammelschwerpunkt der SLUB.

Dr. Achim Bonte, Generaldirektor der SLUB Dresden: „Die Sammlung Ernst Birsners ist eine ideale Ergänzung für den Ausbau des gastrosophischen Schwerpunktes an der SLUB. 2005 mit der „Bibliotheca Gastronomica“ des Sammlers Walter Putz aus Baden-Baden begründet und 2018 mit finanzieller Unterstützung der TU Dresden zum Beispiel um den Nachlass des Publizisten und Gastronomiekritikers Wolfram Siebeck erweitert, verfügt Dresden nun europaweit über einen der bedeutsamsten Bestände zur Entwicklung der Kochkunst und Esskultur. Das vielfältige Quellenmaterial passt bestens zur Geschichte Dresdens und Sachsens als Orten verfeinerter Lebenskultur, besitzt besonders enge Bezüge zu unserer heutigen Gesellschaft und ist relevant für zahlreiche Forschungsfelder von der Ernährungswissenschaft über die Sozialwissenschaft bis hin zur Kunst- und Musikgeschichte.“

Auch Prof. Dr. Josef Matzerath vom Lehrstuhl für Sächsische Landesgeschichte an der Technischen Universität Dresden betont den hohen Wert der Sammlung für die Wissenschaft: „Für die Forschung bietet die Sammlung von Ernst Birsner völlig neue Perspektiven. Denn eine vergleichbar große Anzahl von Speise-, Menü- und Weinkarten war für Europa bislang in keiner öffentlichen Bibliothek verfügbar. Birsners Kulinaria eröffnen die Möglichkeit, über Kochkunst und Tafelkultur, über Zutaten von Gerichten und Weinkonsum, über Tafelmusik und Ästhetik von Gebrauchsgrafik zu arbeiten.“

Dazu Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Die Sammlung Birsner ist einzigartig in ihrer Umfänglichkeit – keine öffentliche Institution in Deutschland besitzt eine vergleichbare Sammlung zur Geschichte der Kulinarik. Umso mehr freut es uns, dass wir den Ankauf für die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden unterstützen konnten und die Sammlung damit in ihrer Gesamtheit bestehen bleibt und in den Besitz der öffentlichen Hand übergeht. Die Geschichte der Kochkunst ist eng verbunden mit der Geschichte der deutschen Höfe, Herrschaftsfamilien und unserer Gesellschaft – durch die Erforschung der Objekte aus der Sammlung Birsner erwarten uns spannende Erkenntnisse über Kochtechniken, Konsumverhalten sowie nationale und internationale kulinarische Strömungen.“

Dr. Monika Bachtler, geschäftsführendes Kuratoriumsmitglied der Rudolf-August Oetker-Stiftung: „Es freut die Rudolf-August Oetker-Stiftung sehr, dass sie bei dem Ankauf der kulturhistorisch bedeutenden Sammlung von Ernst Birsner behilflich sein und damit den Kulinaria-Bestand der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden um einige herausragende Pretiosen bereichern konnte. Erwähnt sei unter anderem die Haushaltsaufstellung aus dem Schloss Marly-le-Roi von 1707, die Einblick in das höfische Leben gibt.“

Bildmaterial zum Download und zur Verwendung finden Sie hier, © SLUB Dresden, Ramona Ahlers-Bergner: