Press release
Gemeinsame Restitution von NS-Raubgut: SLUB Dresden und 13 weitere Bibliotheken und Archive geben Bücher aus der Sammlung Raoul Fernand Jellinek-Mercedes zurück
In einer von der Deutschen Nationalbibliothek koordinierten gemeinsamen Restitution haben 14 deutsche Bibliotheken und Archive insgesamt 41 Bücher aus dem Eigentum des österreichischen Schriftstellers Raoul Fernand Jellinek-Mercedes (1888 Algier–1939 Baden bei Wien) zurückgegeben. Jellinek-Mercedes wurde nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs im März 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt. Unter dem Druck der Repressionen nahm er sich im Februar 1939 das Leben.
Drei seiner Bücher konnten anhand des Exlibris im Zuge der Provenienzforschung an der Sächsischen Landesbibliothek Dresden identifiziert werden. Sie gelangten zwischen 1967 und 1976 über den Antiquariatshandel und als Teil eines Nachlasses in den Bestand. Darüber hinaus konnte dank der Unterstützung durch die Koordinierungsstelle für NS-Raubgut an Öffentlichen Bibliotheken, welche zur an der SLUB Dresden angesiedelten Sächsischen Landesfachstelle für Bibliotheken gehört, ein Werk aus dem Eigentum von Jellinek-Mercedes im Bestand der Stadtbibliothek Chemnitz gefunden werden.
Alle 41 Bücher, die in den vergangenen Jahren deutschlandweit identifiziert werden konnten, wurden nun an die Gemeinschaft der Erbinnen und Erben von Raoul Fernand Jellinek-Mercedes zurückgegeben. Sie konnten im Sinne einer gerechten und fairen Lösung anschließend für die Sammlungen der Bibliotheken wieder angekauft werden.
Die koordinierte, gemeinsame Restitution verdeutlicht, wie wichtig eine systematische Bestandsprüfung in Bibliotheken auch 80 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus ist und wie sehr die Suche von der Zusammenarbeit der einzelnen Einrichtungen profitiert. Ermöglicht wurde die Kooperation nicht zuletzt durch den Austausch im Arbeitskreis Provenienzforschung und Restitution – Bibliotheken. Dieser setzt sich dafür ein, Fälle institutionenübergreifend zu bündeln und so die Erbinnen und Erben bei den Rückgabeverhandlungen zu entlasten.
Raoul Fernand Jellinek-Mercedes (1888–1939)
Raoul Fernand Jellinek-Mercedes war förderndes Mitglied des Wiener Musikvereins und besaß eine große Sammlung von Musikalien, Gemälden und Büchern. Nach seinem Tod war seine Witwe Léopoldine Weiss (1885–1981) gezwungen, große Teile der Sammlung zu veräußern. Darunter befand sich die wertvolle Privatbibliothek, die anschließend über den Antiquariatshandel völlig zerstreut wurde.
Die 41 Bände wurden in den folgenden Bibliotheken aufgefunden:
- Bayerische Staatsbibliothek München
- Bibliothek des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Potsdam (vertreten durch das Fachinformationszentrum der Bundeswehr, Bonn)
- Bibliothek des Zentrums Informationsarbeit Bundeswehr Strausberg (vertreten durch das Fachinformationszentrum der Bundeswehr, Bonn)
- Deutsches Literaturarchiv Marbach
- Deutsche Nationalbibliothek Leipzig
- Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Klassik Stiftung Weimar
- Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer
- Leipziger Städtische Bibliotheken
- Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
- Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
- Stadtbibliothek Chemnitz
- Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
- Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg Frankfurt am Main
- Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Die Werke decken ein breites Themenspektrum ab. Sie reichen von Biografien über Bücher zur Buchillustration, zeitgenössischer Musik und Literatur bis hin zu militärhistorischen Abhandlungen. Die Dokumentation der Funde erlaubt eine zumindest teilweise Rekonstruktion der Bibliothek Jellinek-Mercedes’ und zeugt von der Vielfalt und dem hohen Anspruch der Sammlung eines universal interessierten Bildungsbürgers.
Mehr Informationen zu Raoul Fernand Jellinek-Mercedes und der Zerstreuung seiner Privatbibliothek finden Sie auch bei Retour. Freier Blog für Provenienzforschende.
Hintergrund: Provenienzforschung an der SLUB Dresden
Seit 2011 überprüft die SLUB Dresden im Rahmen von Drittmittelprojekten ihre Bestände systematisch auf unrechtmäßig erworbene Bücher aus der Zeit des Nationalsozialismus. Identifizierte Besitzspuren werden im SLUB-Katalog und in der Deutschen Fotothek veröffentlicht; ausführliche Beiträge und Falldossiers auf der SLUB-Webseite und über den Publikationsserver Qucosa transparent dargestellt. Wenn möglich, werden die rechtmäßigen Erbinnen und Erben ermittelt und die Bücher restituiert. In den vergangenen und im aktuell laufenden Forschungsprojekt konnten bereits in mehr als 30 Fällen Restitutionen im Sinne der Washingtoner Prinzipien (1998) erfolgen. In über 300 nachgewiesenen Fällen von NS-Raubgut steht eine Ermittlung der Erbinnen und Erben noch aus. Dazu wurde kürzlich eine Projektförderung bei der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste beantragt. Die Fallrecherchen zur Provenienz Jellinek-Mercedes erfolgten im Rahmen des Provenienzforschungsprojektes „NS-Raubgut in der SLUB: Erwerbungen nach 1945“ (2017-2020), das von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste gefördert wurde.
Die restituierten Werke der SLUB Dresden:
1.) Gonse, Louis (Hrsg.): L' art ancien à l'exposition de 1878. Paris: Quantin 1878.
2.) Gallois, Léonard: Biographie Des Ministres Français: Depuis Juillet 1789 Jusqu'a Ce Jour. Bruxelles: Tarlier/ Grignon 1826.
3.) Meissonier, Jean Louis Ernest/Roger-Milès, Léon/Beraldi, Henri/Galerie Georges Petit: Exposition Meissonier. Paris: (Impr. de l'Art) 1893.
Falldossier: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-961331