Autograph compositions

Dresden ist eine Adresse für zeitgenössische Musik. Die Musikabteilung der SLUB besitzt seit den 60er Jahren ein „Archiv für zeitgenössische Komponisten“ und von 1983 bis 1990 den Status „Zentralbibliothek der DDR für Kunst und Musik“. Autographe Kompositionen wurden in diesem Zeitraum aus der gesamten DDR erworben. Seit 1977 pflegt die Musikabteilung einen engen Kontakt zum Berliner Komponisten Hermann Keller, der sowohl als Komponist als auch Interpret über internationales Renommee verfügt. In RISM online sind alle 43 Notenautographe von Hermann Keller in der SLUB recherchierbar. „Wahlverwandtschaften“ aus dem Jahre 1975 erwarb die Bibliothek bereits 1977. In den 1980er Jahren folgten „Prometheus“, „Sonate über Frieden und Krieg“, „Neues Klavierbüchlein“ und 2005 das „Konzert für Klavier und 13 Instrumentalisten“.

Eine Auswahl:

2 Szenen für Solo-Klarinette (1981)

Erwerbungsjahr: 1987

SLUB: Mus.15445-S-500, S.1

Musikalischer Kalender (1986)

Aus: Neues Klavierbüchlein (1984-1987)
Erwerbungsjahr: 1991

SLUB: Mus.15445-T-505, S. 1

Momentaufnahmen (1980)

Erwerbungsjahr: 1982
Zubehör: 2 harte Filzschlegel, 1 Gummischlegel, 1 Clusterholz mit Clusterfilz

SLUB: Mus.15445-T-507, 1. Notenseite

Szene für Trompete und Orgel (1985)

Erwerbungsjahr: 1987

SLUB: Mus.15445-U-500, S.1

Wahlverwandtschaften (1976)

Quartett für Flöte, Viola, Klavier und Schlagzeug
Erwerbungsjahr: 1977

SLUB: Mus.15445-Q-500, S. 1

Szene für 8 Musiker und 1 Dirigenten (1985)

Für die Gruppe Neue Musik „Hanns Eisler“ Leipzig
Erwerbungsjahr: 1987

SLUB: Mus.15445-Q-503, S. 2

Die Augen der Armen (1977)

Erwerbungsjahr: 1977
Text: Charles Baudelaire aus „Der Spleen von Paris“

Ach, Sie möchten wissen, weshalb ich Sie heute hasse? Bestimmt ist es leichter für mich, Ihnen das zu erklären, als für Sie, es zu verstehen.

Wir hatten gemeinsam einen Tag verbracht, viele Stunden, und doch war mir, als sei er im Fluge vergangen. Wir hatten uns fest versprochen, daß fortan jeder Gedanke des einen auch der Gedanke des anderen und unsere Seelen eins sein sollten. Ein Traum, gewiß, und nichts Besonderes, außer daß alle Menschen ihn träumen und keiner ihn verwirklicht.

Am Abend wurden Sie ein bißchen müde. Wir setzten uns vor ein neues Cafe. Uns gerade gegenüber auf der Straße stand ein einfacher Mann mit müdem Gesicht und fast ergrautem Bart. An der Hand hielt er einen Knaben, auf dem Arm ein kleines Wesen, das zum Laufen zu schwach war. Alle drei in Lumpen. Ihre sechs Augen starrten unverwandt auf das neue Cafe – mit einer Bewunderung, die nur das unterschiedliche Alter abstufte.

‚Wie schön das ist, wie schön, doch in solch ein Haus dürfen nur Leute, die nicht so sind wie wir.‘ Diese Familie von Augen rührte mich, ja ich schämte mich unserer Gläser und Karaffen, die so viel größer waren als unser Durst. Ich sah Sie an, meine Liebe, um in Ihren Blicken meine Gedanken zu lesen. Ich versank in Ihren schönen, seltsam sanften Augen, in denen die Laune wohnt, in Ihren grünen Augen, die der Mond beseelt hat, als Sie sagten: ‚Diese Leute dort sind unerträglich. Sie reißen ja die Augen auf wie Scheunentore! Rufen Sie doch den Chef des Hauses, damit er sie entfernen läßt!‘ So schwer ist es sich zu verstehen, mein Engel, selbst für Menschen, die einander lieben.

SLUB: Mus.15445-Q-506, S.1

Sonate über Frieden und Krieg für 2 Sprecher, 12 Sänger, 4 Instrumente, Schlagzeug und Tonband (1982)

Erwerbungsjahr: 1991

Darin 31 Textzitate von verschiedenen Dichtern.
Text Nr.1 von Stefan Zweig aus „Die Welt von gestern“:

…Trotz allem Haß und Abscheu gegen den Krieg möchte ich die Erinnerung an diese ersten Tage nicht missen. Wie nie fühlten die Menschen, was sie besser im Frieden hätten fühlen sollen: daß sie zusammengehörten, - diesen unheimlichen Rausch von Millionen, der für einen Augenblick dem größten Verbrechen unserer Zeit einen wilden und fast hinreißenden Schwung gab. …

SLUB: Mus.15445-G-500, S. 1-2

Am Abend. Trakl – Montage (1982)

Erwerbungsjahr: 1991

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder von tödlichen Waffen ...

SLUB: Mus.15445-I-500, S. 1

Prometheus (1980)

Kantate für 1 Singstimme, 8 Instrumente und Tonband
Erwerbungsjahr: 1982

Prometheus, der den Menschen den Blitz ausgeliefert hatte, wurde wegen seiner Tat an den Kaukasus befestigt.

SLUB: Mus.15445-I-501, S. 1-2

Konzert für Klavier und Orchester (1980)

Erwerbungsjahr: 1987

Kellers Klavierkonzert wurde 1984 im Gewandhaus Leipzig uraufgeführt, im Rahmen einer Konzerttournee der Jungen Deutschen Philharmonie, mit dem Komponisten als Solisten. Ohren- und Augenzeugen sprechen noch heute von einem denkwürdigen Ereignis, so gewaltig und skandalös muss das Geschehen gewesen. Da mag manches zusammengekommen sein: ein durch Europa reisendes unerhört junges und unbekümmertes Orchester, ‚aus dem Westen‘, das ein Werk eines nicht weniger um Regeln und Normen unbekümmerten Komponisten ‚aus dem Osten‘ präsentiert. Die Komposition ist von einer solchen performativen Kraft, dass es dem Zuhörer die Sprache verschlägt …

Winrich Hopp

SLUB: Mus.15445-O-500, S. 1

Konzert für Klavier und 13 Instrumentalisten (2005)

Beginnt mit Vorspiel im Garten Eden
Erwerbungsjahr: 2007

Kellers Konzert versetzt den Hörer schlagartig in eine Art musikalisches Paralleluniversum, wo er, wie auf Bildern von Miró, einer Menge surreal-verzaubernder Figuren (eben Klang-Figuren) begegnet, deren kaum deutbares Treiben ihn umso mehr fesselt, als es offenbar einer eigenen geheimen Logik folgt. Mit verfremdeten Klängen normaler Musikinstrumente wird in der zeitgenössischen Musik seit Jahrzehnten experimentiert, aber noch nie ist mir ein Werk begegnet, das so wie Kellers neuestes Konzert in reiner Klangdramaturgie aufzugehen scheint. Wenn es in der Neuen Musik überhaupt noch einmal zu einer Epochenbildung kommen sollte, dann hätte Kellers Konzert das Format, einen Markstein darin zu bilden.

Dr. Wolfgang Reich

SLUB: Mus.15445-O-501, S. 1

2 Elegien nach Texten von Georg Trakl für hohe Stimme und Klavier (1976)

Erwerbungsjahr: 1977

1. In ein altes Stammbuch
2. An die Verstummten

O, der Wahnsinn der großen Stadt, da am Abend An schwarzer Mauer verkrüppelte Bäume starren, Aus silberner Maske der Geist des Bösen schaut; Licht mit magnetischer Geißel die steinerne Nacht verdrängt. O, das versunkene Läuten der Abendglocken.

Hure, die in eisigen Schauern ein totes Kindlein gebärt. Rasend peitscht Gottes Zorn die Stirne des Besessenen, Purpurne Seuche, Hunger, der grüne Augen zerbricht. O, das gräßliche Lachen des Golds.

Aber stille blutet in dunkler Höhle stummere Menschheit, Fügt aus harten Metallen das erlösende Haupt.

 

SLUB: Mus.15445-K-500, S. 9