Geschichte der Schatzkammer
Vom Zimelienzimmer zur Schatzkammer
Kurfürst August von Sachsen (reg. 1553-1586) begann seit etwa 1556 intensiv Bücher zu sammeln. Zunächst hatte er eine Bibliothek zur eigenen Bildung und zur Prinzenerziehung im Sinn. Seine rasch anwachsende ›Liberey‹ war im Dresdner Schloss und auf der Annaburg bei Torgau aufgestellt.
In der »Augusteischen« Zeit des 18. Jahrhunderts erlangten Kunst und Kultur in Sachsen europäisches Ansehen. Wie die Kunstsammlungen vervielfachte auch die kurfürstliche Bibliothek durch weitsichtige Ankäufe ihre Bestände. 1728 zog sie zunächst in drei Zwinger-Pavillons, 1786 dann in das eigens umgebaute Japanische Palais um, wo sie bis 1945 residierte.
Schon 1788 wurde die kurfürstliche Bibliothek »öffentlich«. Wie die Zahl ihrer Leser wuchs auch die ihrer interessierten Besucher, die wertvolle oder kuriose Sammlungsstücke in den schönen Bibliotheksräumen besichtigen wollten. Auf Dauer schadete dies den Schätzen. Deshalb suchte der damals leitende Oberbibliothekar Constantin Carl Falkenstein eine Lösung, die begehrtesten Bücher öffentlich präsentieren und gleichzeitig schützen zu können. 1835 war sie gefunden. Er notierte in seinem Jahresbericht:
»In dem Manuscripten-Zimmer wurde in Betracht, daß mehr der kostbaren Handschriften, xylographischen Denkmäler u. Inkunabeln durch das öftere Vorzeigen derselben nicht wenig gelitten hatten, der Bau von zwei Glaskästen ›sogenannten Montres‹ auf zwei der in dem Handschriftenzimmer befindlichen Tische genehmigt, in welchen jetzt diese Seltenheiten unter Glastafeln zur Beschauung des Publikums ausgestellt und somit der weiteren Beschädigung entzogen sind.«
Damit hatte die Königliche Öffentliche Bibliothek zu Dresden begonnen, ihre Schätze in einer Dauerausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da nicht ausschließlich Handschriften präsentiert wurden, sprach Falkenstein schon bald von einem »Zimelienzimmer« (Zimelie [grch. keimelion, »Schatz«], kostbares Einzelstück im Besitz von Bibliotheken, z.B. alte Handschriften, Frühdrucke (Inkunabeln), bibliophile Ausgaben, Widmungsexemplare).
1917 wurde die Dauerausstellung erstmals durch eine große thematische Sonderausstellung ergänzt.
Seit 1935 konnte eine Kombination von Dauer- und Wechselausstellungen etabliert werden. Erhart Kästner, der Gründer des Museums, formulierte seine Zielsetzung mit wenigen klaren Worten: »Bibliotheken besinnen sich wieder darauf, daß sie auch Kunstsammlungen sind«. Seither gehört das Buchmuseum zum Selbstverständnis der Dresdner Bibliothek.
Mit den Bombardierungen Dresdens wurde 1945 auch das Japanische Palais zerstört. Die 1918 in Landesbesitz überführte Bibliothek erlitt durch direkte Kriegseinwirkungen und mit dem Abtransport von ca. 200.000 Bänden durch die Sowjetarmee empfindliche Verluste.
Nach kurzfristigen Zwischenlösungen bezog die Sächsische Landesbibliothek 1947 eine ehemalige Kaserne in der Albertstadt am nördlichen Rand Dresdens, ein Provisorium, das bis 2002 andauern sollte.
Am 10. Mai 1952 konnte am Standort Marienallee 12 das Buchmuseum neu eröffnet werden. Die Deutschen Werkstätten Hellerau hatten die Räume mit soliden Hoch- und Flachvitrinen ausgestattet. So waren wieder die Schätze zu sehen, die das Buchmuseum im Japanischen Palais berühmt gemacht hatten und die nicht im Krieg verloren gegangen, schwer beschädigt oder von der Roten Armee abtransportiert waren. Für Wechselausstellungen befanden sich zahlreiche Vitrinen in den Gängen und im Foyer des Bibliotheksgebäudes.
1976 erfolgte eine Neukonzeption der Dauerausstellung. In 36 Vitrinen wurden 1 000 Jahre Buchgeschichte - in 21 thematischen Gruppen - dargestellt. Diese didaktische Schau hatte bis Ende 1988 Bestand.
Seit 1989 orientieren sich die Dauer- und Wechselausstellungen wieder an den bewährten Traditionen aus der Zeit des Buchmuseums im Japanischen Palais. 1993 konnten die Räume nach dem modernsten Stand der Klima- und Sicherheitstechnik erneuert werden.
Nach der Fusion der Sächsischen Landesbibliothek mit der Bibliothek der Technischen Universität Dresden zur Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) im Jahre 1996 wurden die Voraussetzungen für einen großzügigen Bibliotheksneubau geschaffen, der von 1998 bis 2002 errichtet wurde. Mit dem Beginn des Umzugs im April 2002 ist das Buchmuseum am Standort Marienallee 12 geschlossen worden.
Der Neubau ist nach der Aufnahme des Probebetriebs (August 2002) und des Routinebetriebs (Ende September 2002) am 14. Januar 2003 feierlich eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben worden. Gleichzeitig wurde das Buchmuseum neu eröffnet.
Die räumliche Trennung von Dauer- und Wechselausstellung innerhalb des Buchmuseums wurde beibehalten. Die Wechselausstellungen umgeben die Schatzkammer; es werden Gastausstellungen sowie buch- und mediengeschichtliche Themen der Landes-, Stadt- und Universitätsgeschichte gezeigt.
Die Schatzkammer ist als ‘Haus im Haus‘ konzipiert. Der Besucher betritt sie durch eine von Prof. Wolff-Ulrich Weder mit Bilderschriften und Alphabeten gestaltete Tür. Hier kann er einen Teil jener Seltenheiten sehen, die schon unter den ›Montres‹ im Zimelienzimmer des Japanischen Palais von Fichte, Novalis, Goethe, Napoleon I. und zahlreichen anderen Besuchern Dresdens bestaunt wurden.