Winckelmanns Korrespondenz mit dem Grafen Wackerbarth-Salmour, Oberhofmeister des sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian

Winckelmann hat in seinem Leben mindestens 1.000 Briefe geschrieben. Im Februar 2017 konnte die SLUB einen verschollen geglaubten Teil der Korrespondenz zwischen Winckelmann und Joseph Anton Gabaleon Graf von Wackerbarth-Salmour (1685–1761) mit Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder aus dem Antiquariatshandel erwerben. Das Konvolut aus der Zeit zwischen Dezember 1759 und Februar 1761 umfasst sieben eigenhändige italienische Briefe Winckelmanns aus Rom sowie die Konzepte zu fünf französischen und einem italienischen Antwortschreiben des Grafen aus München, wo sich der sächsische Kurprinz Friedrich Christian und seine Gattin Maria Antonia Walpurgis von Bayern während der preußischen Besatzung Dresdens im Siebenjährigen Krieg aufhielten. Als Gegenleistung für ein Stipendium zum Studium in Rom erwartete das italophile Kurprinzenpaar von Winckelmann Berichte über seine Forschungen und über die neuesten archäologischen Entdeckungen in Rom und Neapel. Zwei der Dresdner Briefe sind den 17 bisher bekannten „relazioni antiquarie“ zuzurechnen, die Winckelmann an den kurprinzlichen Leibarzt Giovanni Ludovico Bianconi (1717–1781) und den Grafen Wackerbarth-Salmour zum Vortrag vor dem Kurprinzenpaar sandte.

Brief von Winckelmann an Graf Wackerbarth-Salmour

Rom, 4. Juni 1760.
SLUB: Mscr.Dresd.App.3140,4
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

In diesem Brief beschreibt Winckelmann unter anderem eine gut erhaltene, seiner Ansicht nach aber künstlerisch mittelmäßige Marmorgruppe des Perseus und der Andromeda, die bei einer Grabung im Amphitheatrum Castrense bei der Kirche Santa Croce in Gerusalemme in Rom gefunden wurde. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Winckelmann dabei der Anbringung der Flügel an Perseus' Füßen mittels Riemen – im Vergleich zu einem Bronze-Merkur aus Herculaneum.


Erworben mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung
und der Kulturstiftung der Länder.

     

Perseus und Andromeda

Karl Friedrich Hermann: Perseus und Andromeda. Eine Marmorgruppe der königlichen Sammlung im Georgengarten zu Hannover
Programm des Archäologisch-Numismatischen Instituts in Göttingen zum Winkelmannstage 1851. - Göttingen: Dieterich, 1851.
SLUB: 37.4.1600
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Die Perseus-Andromeda-Gruppe – hier in einer Lithographie nach einer Zeichnung des Göttinger Malers und Kunsthistorikers Carl Wilhelm Friedrich Oesterley zu sehen – gelangte 1765/66 unter Mitwirkung Winckelmanns nach Hannover in den Besitz von Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn (1736–1811) und damit in die älteste private Antikensammlung Deutschlands. Heute befindet sich die Gruppe als Leihgabe in den Sammlungen des Archäologischen Instituts der Universität Göttingen. Die ausgestellte Publikation erschien anlässlich Winckelmanns Geburtstag, den Klassische Archäologen seit 1835 jedes Jahr mit Vortragsveranstaltungen feiern.

Link zum Digitalisat des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek.

Brief von Winckelmann an Graf Wackerbarth-Salmour

Rom, 25. Januar 1761.
SLUB: Mscr.Dresd.App.3140,11
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Winckelmann bedauert, dass kaum antiquarische Neuigkeiten zu vermelden seien, nicht wegen der für Grabungen ungeeigneten Jahreszeit oder weil ihm etwas entgangen sei, sondern „wegen der Barbarei, die in diesem Land herrscht“, das so reich an Schätzen sei, dass es keiner Wünschelrute bedürfe, um sie zu finden, „aber da ist keiner, der sie sucht“. Winckelmann verkündet stolz, er sei ohne eigenes Zutun Ehrenmitglied der renommierten Accademia Antiquaria (Society of Antiquaries) von London geworden.


Erworben mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung
und der Kulturstiftung der Länder.

     

Friedrich Christian von Sachsen

Johann Christoph Sysang (1703-1757)
Kupferstich und Radierung
In: Allgemeines Juristisches Oracvlvm, Oder Des Heil. Römisch-Teutschen Reichs Juristen-Facultät. - Bd.13: ... Legaten- und Fideicommiß-Recht nebst der Legitima, Qvarta Falcidia und Trebellianica ... - Leipzig: Heinsius, 1752.
SLUB: Encycl.jur.113-13
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Friedrich Christian, Sohn des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. (Augusts III. von Polen), war dank seines langjährigen Erziehers Wackerbarth-Salmour vielseitig gebildet und vor allem kulturell interessiert. 1747 heiratete er die musikalisch, künstlerisch und poetisch talentierte bayerische Kurprinzessin Maria Antonia Walpurgis. Nach nur zehnwöchiger Regierungszeit starb er an den Pocken. Friedrich Christians angeborene Gehbehinderung wird in dem Ganzfigurenporträt durch die leicht angelehnte Haltung am Konsoltisch angedeutet.

Hof- und Staatskalender

Königlich-Polnischer und Churfürstlich-Sächsischer Hoff- und Staats-Calender auf das Jahr 1755
SLUB: Hist.Sax.I.179-1755
Foto: SLUB/Deutsche Fotothek

Dem Vorbild anderer Höfe folgend, erschien seit 1728 auch für Kursachsen jährlich ein Kalender, „worinnen der Königliche und Prinzliche Hof-Staat, Collegia und Militair-Wesen, aufs accurateste beschrieben werden“. An erster Stelle des zahlreichen Personals am kurprinzlichen Hof steht der Oberhofmeister Graf Wackerbarth-Salmour. Die Kammerherren („Garderobbe“) führt der Leibarzt und Hofrat Giovanni Ludovico Bianconi an, bei dem Winckelmann in Dresden regelmäßig zu Gast war und mit dem er von Rom aus als seinem Fürsprecher und Mittelsmann beim Kurprinzen häufig korrespondierte.

Graf Wackerbarth-Salmour

Johann Christoph Sysang (1703-1757)
Kupferstich und/oder Radierung
In: Christian Gottfried Hoffmann: Die neue europäische Fama, welche den gegenwärtigen Zustand der vornehmsten Höfe entdecket. - 77. Theil. -
Leipzig: Gleditsch, 1741.
SLUB: Eph.hist.367-73/84.1741/42
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Der in Turin geborene Joseph Anton Gabaleon Graf von Salmour, Adoptivsohn des sächsischen Generalfeldmarschalls Christoph August von Wackerbarth, war seit 1707 als Gesandter und Kabinettsminister in sächsischen Diensten tätig. 1731 wurde er zum Erzieher und Oberhofmeister des Kurprinzen Friedrich Christian bestellt und begleitete diesen 1738 bis 1740 auf einer Kur- und Bildungsreise durch Italien – mit Stationen in Neapel, Ischia, Portici, Rom, Florenz, Mailand und Venedig. Er wurde zum engen Vertrauten und Berater des sächsischen Kurprinzenpaares und setzte sich für das Italienstipendium Winckelmanns ein.