Winckelmann als wissenschaftlicher Bibliothekar des Grafen Bünau

Zu den Aufgaben, denen Winckelmann in Nöthnitz nachkommen musste, gehörten nicht nur die üblichen bibliothekarischen Arbeiten, sondern auch Literaturrecherchen und das Exzerpieren von Quellen für Bünaus „Reichshistorie“. Dabei übte er sich in historisch-kritischer Arbeitsweise, die später auch wichtig für seine eigenen Forschungen wurde.

Bünaus deutsche Kaiser- und Reichsgeschichte

Heinrich von Bünau: Genaue und umständliche teutsche Kayser- und Reichs-Historie aus den bewährtesten Geschicht-Schreibern und Uhrkunden zusammen getragen
Teil 1. - Leipzig: Gleditsch, 1728.
SLUB: Hist.Germ.univ.169-1
Foto: Regine Richter (Titelblatt); SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum (Seite 71)

Mit seiner quellenkritischen ausführlichen deutschen Kaiser- und Reichsgeschichte wurde Bünau zum Begründer der neueren deutschen Geschichtsschreibung. Die ersten vier Bände mit der Geschichte bis zum Tod Kaiser Konrads I. im Jahre 918 erschienen 1728 bis 1743 im Druck. Zur nicht mehr gedruckten Geschichte der Ottonen, aber auch zur Geschichte Chlodwigs befindet sich in der SLUB umfangreiches handschriftliches Material Bünaus und Winckelmanns.

Das ausgestellte Handexemplar des ersten Bandes der „Reichshistorie" mit eigenhändigen Korrekturen und Ergänzungen Bünaus schenkte der 1755 bis 1762 als Bibliothekar und Sekretär Bünaus beschäftigte Leipziger Professor Johann Friedrich Burscher 1798 der Kurfürstlichen Bibliothek.

Fragment von Winckelmanns Arbeiten zur Reichshistorie des Grafen Bünau

Nöthnitz, [1748-1754].
SLUB: Mscr.Dresd.App.1724
Foto: SLUB/Dresdner Digitalisierungszentrum

Der ausgestellte Band enthält die von Winckelmann notierten Anmerkungen Nr. 140 bis Nr. 817 zur Geschichte der Ottonen. In der rechten Spalte stehen die genauen Literaturangaben, in der linken wörtliche Zitate aus den Quellen. So sind beispielsweise auf Bl. 3v unter Anmerkung Nr. 177 der Name des „Scribenten“ (Mabillon), der abgekürzte Titel (Anal.), der Band (T. III) und die Seite (p. 350) angegeben und links das entsprechende Zitat „Haec facta videntur ...“ angeführt, das Winckelmann darunter noch (ebenfalls lateinisch) kommentiert hat.
Der Band stammt aus der Schlossbibliothek Dahlen, die nach der Restitution an die Familie Sahrer von Sahr 2012 für die SLUB erworben werden konnte.

Annalen des Benediktinerordens

Jean Mabillon, Edmond Martène: Annales Ordinis S. Benedicti Occidentalium Monachorum Patriarchae
p. 3, Complectens res gestas ab anno Christi DCCCL. ad annum DCCCCLXXX. inclusive, cum Appendice, & Indicibus necessarii. - Paris: Robustel, 1706.
SLUB: Hist.ord.rel.26-3
Foto: SLUB/Deutsche Fotothek

Der französische Benediktinermönch Jean Mabillon (1632–1707) zählt zu den Begründern der Historischen Hilfswissenschaften. Seine „Annales“ erschienen 1703 bis 1707 in vier Bänden, denen noch zwei weitere 1713 und 1739 von anderen Autoren folgten. Der aufgeschlagene Band enthält auf S. 350 im 2. Absatz die von Winckelmann zitierte Passage. Da der Band einen Bünau'schen Einband trägt, könnte Winckelmann genau dieses Exemplar benutzt haben.