Tschechische Avantgardebuchkunst. Die Sammlung Vloemans

"Die Texte konnte ich nicht lesen, aber die Gestaltung der Bücher verstand ich, die witzigen Illustrationen und originellen Einfälle, das Neue und Besondere begeisterte mich", so blickt der deutsche Antiquar und Sammler Jürgen Holstein auf seine Begegnung mit Büchern der tschechischen Avantgarde zurück.

Sein niederländischer Kollege John Vloemans ließ sich in den 1970er Jahren von dieser Begeisterung anstecken und wurde bald zum "kenntnisreichsten Händler auf dem Gebiet der tschechischen Avantgarde" (Roland Jaeger). Handel und Sammelleidenschaft gingen schnell Hand in Hand. Im Laufe der Jahre entstand seine weltweit geschätzte Sammlung, die über 400 Bücher und Periodika aus der Zeit von 1918 bis 1938 umfasst, darunter viele Widmungs- und Vorzugsausgaben, sämtlich in bestem Erhaltungszustand.

2016 konnte die SLUB diese einmalige Sammlung erwerben und zeigt sie ab 6. April bis 31. August 2017 im Buchmuseum erstmals der Öffentlichkeit. Ausstellungseröffnung am 05. April, 19:00 Uhr, Eintritt frei.

Öffentliche Führungen durch die Ausstellung

19.04., 03.05, 17.05., 31.05., 14.06., 28.06., 12.07.2017 jeweils circa 20 Uhr im Anschluss an den Vortragsabend. Die Themen des Vortragszyklus' finden Sie in der Seitenspalte.

Tschechische Avantgardebuchkunst

Das Besondere und Neue in der tschechischen Buchgestaltung der 1920er und 30er Jahre entsprang der allgemeinen Aufbruchsstimmung nach Ende des Ersten Weltkrieges und Gründung der Tschechoslowakischen Republik (ČSR). 

Gleichzeitig mit neuen Kunstrichtungen wie Poetismus, Konstruktivismus oder Surrealismus entstanden viele Verlage, die den neuen Tendenzen gegenüber aufgeschlossen waren. Die international verbreitete Neue Typographie konzentrierte sich deshalb in der ČSR von Beginn an auf die Reform der Buchgestalt. Es ging einerseits darum, eine in alle Lebensbereiche hineinwirkende universale "Poesie für alle Sinne" (Karel Teige) zu schaffen, die selbstverständlich ‚Bücher für alle Sinne‘ einschließt. Andererseits sollten die Bücher einem möglichst breiten Publikum zugänglich sein, ohne dass dieser Anspruch auf Kosten der künstlerischen Qualität umgesetzt würde. Zeitgenössische Künstler wie Josef Čapek, Otakar Mrkvička, Václav Mašek, Jindřich Štyrský, Toyen widmeten sich neben ihrem freien Schaffen der Buchgestaltung

Ein theoretisches Fundament legten die vor allem in der Buch- und Gebrauchsgrafik tätigen Karel Teige, Ladislav Sutnar und Zdeněk Rossmann, die zudem ihr Interesse an (Innen-)Architektur einte.

Die Bücher wurden in ihrer Gesamtgestalt als Artefakte erfasst. Die originellen Einfälle beschränkten sich nicht auf den Umschlag, sondern sind auf den Titelblättern und im Kolophon, in Illustrationen und den stets neu gestalteten Verlagszeichen, in der Wahl der Typen und der Kombination von Bild, Schrift und typographischen Zeichen wiederzufinden.
 

"Typographie kann unter Umständen Kunst sein", wie Kurt Schwitters 1924 feststellte. Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, sich persönlich davon zu überzeugen, dass die Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit der Typographie als Kunst außerordentlich gewogen war.

Förderer

Der Deutsch-Tschechische Kulturfrühling 2017 ist eine grenzüberschreitende Kulturinitiative der Deutschen Botschaft Prag, des Goethe-Instituts in Prag, des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und der Tschechischen Zentren in Berlin und München in Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium und dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Tschechischen Republik.