Robert Schumann: Klaviertrio op. 63

Zu Beginn des Jahres 2016 gelang es der SLUB Dresden, bei einem amerikanischen Antiquariat die bisher in Privatbesitz befindlichen Skizzen zu Robert Schumanns erstem Klaviertrio op. 63 zu erwerben. Damit kann jedem Interessierten Einblick in die Genese eines der seit seiner Entstehung beliebtesten Kammermusikwerke, das zudem als Schlüsselwerk seiner Gattung gilt, gegeben werden.

Trio-Gedanken

Die ersten „Trio-Gedanken“ kamen Schumann am 3. Juni 1847 und wie das Haushaltsbuch der Familie mitteilt, war nach nur sieben Tagen der erste Satz des späteren Opus 63 – mit über 200 Takten – in seiner Grundgestalt fertig. Gerade eine weitere Woche verging, und Schumann hatte die gesamte Komposition einmal skizziert. Zwar kehrte er danach zunächst zu zwei älteren Kompositionsprojekten zurück - nahm Korrekturen an der zweiten Sinfonie vor und ergänzte die „Faustszenen“ -, reiste dann zu den Zwickauer Musikfesten und widmete sich einer ausgedehnten Badekur in den Elbbädern, im September aber nahm er die Arbeit am Klaviertrio wieder auf und fügte die skizzierten Gedanken in einer Partitur zusammen. Das Haushaltsbuch zeugt für die nächsten Tage von der konzentrierten Auseinandersetzung mit dem Trio, dessen Fertigstellung Schumann schließlich am 7. September vermerken konnte.

Sechs Tage später schenkte er es seiner Frau Clara zu ihrem 28. Geburtstag. Noch am selben Abend führten es Freunde der Familie, der Dresdner Konzertmeister Franz Schubert und der Cellist Friedrich August Kummer, die häufig mit Clara musizierten, das Werk gemeinsam mit Clara auf.

Berührt und voll Begeisterung vermerkte die Pianistin:

„Es klingt wie von einem, von dem noch vieles zu erwarten steht, so jugendfrisch und kräftig, dabei doch in den Ausführungen so meisterhaft! … Der erste Satz ist für mich einer der schönsten den ich kenne.“

Stammbucheintrag vom 8. November 1834, der die enge musikalische Verbindung von Schubert, Kummer und Schumanns andeutet. SLUB Dresden Mus.Schu 142

Komponierfreude

Schumann verbindet die Arbeit am Trio in seinem Haushaltsbuch immer wieder mit dem Gefühl der „Freude“. So spricht er von „Triofreuden“, konstatiert das Voranschreiten der Arbeit mit den Worten „Im letztem Satz des Trio – Freude“ und bemerkt die Vollendung mit der Bemerkung „das Trio fertig gemacht – Freude“. Trotz aller Korrekturen, Verbesserungen, Streichungen, Verwerfungen, offener Stellen, die in den Skizzen sichtbar sind, war der Komponist wohl in einem geradezu euphorischen Arbeitsfluss.

Auch Clara begleitete Roberts Schaffensprozess mit viel Enthusiasmus und Vorfreude. So heißt es in ihrem Tagebuch:

„Robert ist jetzt sehr fleißig, er schreibt an einem Klaviertrio … ich freue mich, daß er auch einmal wieder an das Klavier denkt. Er scheint selbst sehr zufrieden mit seiner Komposition.“

Clara und Robert teilten ihr Interesse für die Gattung des Klaviertrios. Gemeinsam begeisterten sie sich für entsprechende Werke von Beethoven. Zum siebten Hochzeitstag, am 12. September 1846, hatte Clara ihrem Gatten ihr Klaviertrio op. 17 geschenkt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 Clara Schumann: Klaviertrio op. 17

Opus 63 ist Roberts Antwort in diesem musikalischen Gespräch. Parallel zur Ausarbeitung des ersten Trios, begann er mit der Konzeption eines weiteren Beitrags zur Gattung, des 1849 fertiggestellten Klaviertrios op. 80. Im Dialog mit seiner Frau schritt Schumann also die Möglichkeiten des Genres aus.

Dornröschenschlaf

Schumanns Skizzen verblieben bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts im Besitz seiner ältesten Tochter Marie. 1911 wurden sie bei C. G. Boerner in Leipzig zum Verkauf angeboten und gelangten in die Schumann-Sammlung des Zwickauer Oberbergrats und Schumann-Liebhabers Alfred Wiede. 

Von dort wurden sie zwar zumindest anlässlich des Schumannfestes 1922, bei dem das Werk auch gespielt wurde, noch einmal ausgestellt. Danach aber verschwanden sie im privaten Tresor.

Schumann und die Bibliothek

Nun kehren Schumanns Skizzen an ihren Ursprungsort zurück und werden allen Interessierten zugänglich gemacht. An der SLUB Dresden ergänzen sie einen zwar kleinen aber für Schumanns Dresdner Zeit typischen Bestand an Autographen und Handschriften. So werden hier neben der Korrespondenz Schumanns und einem umfangreichen Stammbuch-Album mit liebevollen Einträgen der Gäste Schumanns einige Kompositionen aufbewahrt, die sich vor allem mit dem Lied und der Kammermusik auseinandersetzen - Schumannsche Werke, die das bürgerliche Musikleben Dresdens bereicherten.

 

Eine Verbindung zur Bibliothek besteht dabei seit Schumanns Dresdner Jahren: Wie der Eintrag in das Anmeldebuch der Königlichen Öffentlichen Bibliothek zeigt, war Schumann nicht nur selber "Nutzer", sondern führte auch seinen Besuch - wie z.B. den Leipziger Kapellmeister Nils W. Gade - in die Bibliothek. Was sich die Schumanns und Gade zeigen ließen, ist zwar nicht dokumentiert, dass sie - erfüllt am Abend heimgekehrt - gemeinsam musizierten, darf aber als sicher gelten.

Das Gespräch über Musik, eigene und fremde, wurde auf diese Weise ununterbrochen geführt: mit Worten, mit Noten, mit Tönen. Auch Schumanns Klaviertrio op. 63 veränderte sich weiter während dieses Dialoges. Immer wieder korrigierte und änderte er, bis das Trio 1848 bei Breitkopf & Härtel im Verlag erschien und kurz darauf seine öffentliche Premiere erlebte. Seitdem gehört das Klaviertrio d-moll zum selbstverständlichen Bestandteil des Kammermusikrepertoires und lebt der musikalische Diskurs durch immer wieder neue Interpretationen fort. Dass die ersten Ideen Schumanns zu diesem bahnbrechenden Werk der Gattung nun dem ganz allgemein neugierigen Musikinteressierten ebenso wie der philologischen Forschung oder dem praktizierenden Musiker zur Verfügung stehen, wird ihm aufs Neue Impulse verleihen.